Schreibsel IV

Den Menschen gibt es jetzt endlich auch als Maschine, ein alter Diktatorentraum wird wahr. Unsere Aufklärer allerdings, Christian Thomasius, Immanuel Kant & Consorten, drehen sich im Grabe herum wie die Milchsäure im Joghurt. Es gibt ja sogar auch schon Menschenmaschinen, die nicht nur von außen mit Sensoren bestückt sind, sondern sich sogar Chips implantieren lassen, um sich noch besser selbst zu überwachen und um überwachbar zu werden durch gewinnorientierte Weltkonzerne und machtorientierte Regierungen oder einfach durch die nächstbeste Versicherung, die bei bravem Verhalten die Beiträge senkt. Diese disziplinierten Jungs beiderlei Geschlechts wissen jedenfalls alles über sich, was sie für ihren Arbeitgeber leisten und wie sie geschlafen haben und wie viel Kalorien sie verbraucht haben und wie das alles noch besser werden kann. Tja, wie sagten noch die Altvorderen: die Dummen werden nicht weniger – diese neue Spezies nennt sich nun aber nicht Maschinenmenschen sondern Quantified Self und würde, wäre sie nicht so supernützlich, sicher allgemein als gefährlich eingestuft werden müssen, zumindest in den Gesellschaften, in denen man grausige Erfahrungen gemacht hat mit auf strikter Disziplin und Kontrolle ausgerichteten Herrenmenschenmentalitäten. Die besten Untertanen sind eben immer noch die, die selbstdiktatorisch einer „großen“ Sache dienen, mag die nun heißen, wie sie will. Wenn also in nicht ferner Zukunft die QS aufmarschieren und Sie als Nichtoptimierter und Effizienzverweigerer zur Seite treten müssen, dann leisten Sie bitte auch mal was, nämlich Widerstand, vielleicht einfach, indem Sie sich der Sache in den Weg stellen.

Kommunikation Maschine-Mensch, Norbert W. Schlinkert

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3 Antworten auf Schreibsel IV

  1. derdilettant sagt:

    Bei Ihnen zeichnet der Mensch noch selber, das stimmt hoffnungsfroh – mehr davon! (Bevor die Idioten aus dem Silicon Valley auch noch das Zeichnen und Malen, diese zutiefst humane Beschäftigung, der allseits um sich greifenden Effizientifizierung mittels künstlicher Dummheit überantworten)

  2. Meine Zeichenkünste sind ja beschränkt, so was kriegt eine Maschine ohnehin nicht hin! Wider die künstliche Dummheit, sachichdanur!

  3. Und ich dachte schon, ich sei der Einzige, der das so sieht, doch Byung-Chul Han sieht es auch so. In einem Interview mit der ZEIT sagt er folgendes: „Oder schauen Sie sich die Menschen an, die ihren Körper mit allen möglichen Sensoren ausstatten und rund um die Uhr Blutdruck, Blutzuckerwert und Fettanteil messen und diese Daten ins Netz stellen! Man nennt das Self-Tracking. Diese Menschen sind bereits Zombies, sie sind Puppen, die von unbekannten Gewalten am Draht gezogen werden, wie Georg Büchner in Dantons Tod gesagt hat.“

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