Ganz fatal scheint es, wenn der Schriftsteller nicht schreibt, seine dicken oder dünnen Finger also nicht um ein Schreibgerät krampft oder mittels seines Tippsystems eine Tastatur behackt. Warum schreibt er nicht, fragt es sich, hat es tiefere Gründe, hat er gar den Glauben an die Literatur verloren wie andere Menschen den Glauben an Gott oder die Gerechtigkeit? Oder hat er bereits genug geschrieben und betrachtet mit Genugtuung seine wenigen Veröffentlichungen und die Archivkisten mit Manuskripten und Ausdrucken? Ist er faul, selbstgefällig, satt? Zum Hedonisten herabgesunken? Nun ja, all diese blöden Gedanken und Fragen können nur von Materialisten stammen, die mit ihrer Denkmaschine nicht weiter kommen als bis zu ihrer Denkmaschine – dass diese sich, am Rande bemerkt, dabei nicht selbst zerstört, ist ja bereits Beweis genug für die Unhaltbarkeit eines rein materialistischen Weltbildes. Natürlich aber wird niemand das Vorhandensein von Substanz bestreiten, denn davon löst es sich ja, davon geht es aus, das Nichtmaterielle – in meinem Falle das Schreiben im Ungefähren, im Nebulösen, ein Schreiben mit allem, was man ist, ein Schreiben als Vorstufe des womöglich baldigen wirklichen Schreibens mit und auf Materie, auf dass dieses Werk sich dann im Kopfe lesender Menschen mit deren Zutun wieder verflüchtige. So läuft das nämlich! Irgendeinen Mumpitz zu Papier bringen kann ja jeder. Das dazu!

Norbert W. Schlinkert: Materie im Grünen