„Enthusiasmus“ ist eines der seltsamsten Worte der Wortgeschichte – ich aber komme jetzt nur darauf, weil er mir momentan fehlt. Ich weiß natürlich, wie sich das anfühlt: ist man enthusiastisch (was ja weit über eine profane Begeisterung für etwas hinausgeht, denn Enthusiasmus ist inwendig und egozentrisch), glüht der ganze Mensch. Aber, wie gesagt, im Moment: nix. Der Grund liegt wie in jedem Jahr offen zu Tage, die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel haben mich geradezu vergiftet mit all dem Einzelhandel-Gedöns allüberall, und zudem bin ich auch noch eine kleine Weile in Westdeutschland gewesen, in einer Gegend auch noch, in der der Zungenschlag der Einheimischen von Grund auf schwermütig ist, weil die Worte dort zu ihrem jeweiligen Ende hin so wenig aufstreben wie dann auch die aus ihnen gebildeten Sätze, sondern im Gegenteil resigniert in sich verenden, so als wäre das Wort weniger wert als die Sache, die es bezeichnet. Es gibt ja im Deutschen mehrere solcher Dialekte und Sprachfärbungen, die der Depression Tür und Tor öffnen, und aus eben diesen Gegenden stammen folgerichtig auch die meisten der zugewanderten Einwohner von Berlin, Hamburg, München und so weiter. Zurück im Ur-Heimatlichen bleiben, ebenso folgerichtig, die, die es nicht merken, beziehungsweise ganz paßgenau da sind, wo sie hingehören. Das Ganze ist allerdings noch fast gar nicht erforscht, obwohl die eigene Sprache den Menschen von Anfang an formt, weil sie ihn umgibt und er sie nachbildet und lernt, bis er dann ebenso spricht wie die anderen. Zur Ehrenrettung der regionalen Sprachfärbungen und Dialekte muß aber angemerkt werden, daß man ihnen durch das Erlernen eines lebendigen Hochdeutsches unter phantasievoller Einbeziehung einzelner Sprachmuster und Betonungsvarianten entfliehen kann, die zunächst gelernte Heimat-Sprache also absolut nur denen dauerhaft schadet, die sich der zersetzenden Anteile dieser ihrer Sprache nicht bewußt sind. Allerdings gibt es für eben diese Klientel seit Jahren nun schon ausreichend Comedy im jeweiligen Heimatdialekt, dargebracht in den dritten Fernsehprogrammen und auch erhältlich als CD, DVD, Blue-Ray und Buch. Die auf diese Weise zu erlebenden Medizinmänner und -frauen bringen die Menschen in ihrer Sprache nun nicht nur dazu, über sich selbst und ihre Beschränktheit zu lachen, durchaus nicht, nein, sie geben ihnen auch Sprachstoff an die Hand, um sich zu verständigen und gleich wieder zu lachen, weil sich alle ja an diese lustigen Bühnenauftritte erinnern. So hält man, ein Fortschritt, ganz ohne Frage, den sozialen Frieden aufrecht, und da nun in dieser ihrer eigenen Sprache auch noch ordentlich über die Politiker und die Manager und die Banker und überhaupt über all diese Betrüger gelästert wird, fühlen sich alle gleich besser – – – alle außer mir, denn ich brauch meinen Enthusiasmus, den will ich haben, und wenn ich ihn mir selber schnitzen muß, indem ich in meiner Sprache Wort für Wort und Satz für Satz einen Text in die Welt stanze! (Ich glaube, es geht schon aufwärts!)