Wen mag das schon (zu) interessieren, außer vielleicht meinen zukünftigen Verleger, aber mir wird immer klarer, immer bewußter, daß ich mit meinem kürzlich begonnenen Roman einen Roman zu schreiben habe (auch) über die Unmöglichkeit, einen Roman zu schreiben. Hört sich an wie ein Kalauer, ist aber keiner. Genährt wird diese meine Überzeugung von dieser mir im Moment ins Bewußtsein steigenden, seltsamen (mir vielleicht indirekt von der Peter-Handke-Lektüre herkommenden) Verblassung der Schriftlichkeit als solcher, dieser Fadenscheinigkeit, die zugleich aber eine mir allzu fest in Sprachmustern verankerte Festigkeit ist. So wie Samuel Beckett nach dem zweiten Weltkrieg das Englische, seine Muttersprache, als in Floskeln erstarrt erkannte und bald fast nur noch sich der französischen (Schrift-)Sprache bediente, so sträubt sich mir ein jedes Mal das Fell, wenn ich mich dabei ertappe, auch nur ein „sagte sie“ oder „er mußte erkennen, daß“ zu schreiben, was ja nun wirklich harmlos ist. Klar ist mir, daß ein „sagte sie“ oder „er mußte erkennen, daß“ vollständig meine Schreibe sein kann, vollkommen unabhängig davon, wer das wann und wie viele es wie oft vor mir verwendeten – das ist allein meine Aufgabe und auch meine Verantwortung, denn natürlich will ich meine Texte gut und lesbar gestalten, auch unterhaltsam und sogar spannend, letztlich also nachvollziehbar und für den Leser gestaltbar. („Gestaltbar“ wäre ein möglicher Name für eine Bar, wenn ich denn eine aufmachen würde.) Also: wie das bereits inhaltlich und auch sprachlich Vorgeformte mir zu eigen machen? Die erste und zugleich einzige Antwort ist, es und mich selbst einem Schreibprozeß zu unterziehen (nicht: unterwerfen), das mir und anderen bereits Bekannte zu verlebendigen und auszusprechen, hinzuschreiben – banaler scheint das nicht ausdrückbar, doch eben hier liegt der Hase im Pfeffer: das Sich-Unterziehen, das Es-Unterziehen (= einen neuen Boden einziehen, ein neues Fundament bauen?). Gestern las ich bei Deleuze / Guattari in den Tausend Plateaus einen Satz, den schon unzählige Autoren in etwa so geschrieben haben, und doch wirkte er wie frisch geschlüpft: „Es zählt aber nur, daß die Liebe selber eine Kriegsmaschine ist, die eigenartige und fast furchtbare Kräfte besitzt.“ (S.379.) Auch in Peter Handkes Mein Jahr in der Niemandsbucht finden sich Sätze, die beides sind, gleichsam urmenschlich und zugleich neu, und eben solche Sätze durchziehen die ganze Textur und beatmen das ganze jeweilige Werk, was nichts weiter heißt, als daß es mir auch bei meinem neuen Roman auf wirklich jedes Wort und jeden Satz anzukommen hat, auch wenn ich nicht weiß, ob es veröffentlicht und dann auch gelesen wird. Also frisch an die Arbeit gemacht!
Am Tresen der Gestaltbar
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