Ob am Ende und vor allem auch nach dem Ende etwas von uns selbst bleibt, wird die Zukunft entscheiden, die in selbiger dann allerdings strikt Gegenwart sein wird, in der selbst die berühmtesten Toten ebenso handlungsunfähig und tot sein werden wie die völlig Vergessenen, weswegen für mich gilt, was Adalbert Stifter im Nachsommer formulierte, nämlich „daß der Mensch seinen Lebensweg seiner selbst willen zur vollständigen Erfüllung seiner Kräfte wählen soll“, dadurch diene er auch dem Ganzen am besten, wie er nur immer dienen kann. Und weiter: „Es wäre die schwerste Sünde, seinen Weg nur ausschließlich dazu zu wählen, wie man sich so oft ausdrückt, der Menschheit nützlich zu werden. Man gäbe sich selber auf, und müßte in den meisten Fällen im eigentlichen Sinne sein Pfund vergraben.“ Das schreibt Stifter in seiner Enttäuschung über die gescheiterte 1848er-Revolution, um schließlich zu konstatieren, die Menschheit werde, auch weil sich die Menschen in jungen Jahren in ihnen nicht gemäße Berufslaufbahnen drängen lassen, „immer mehr eine Herde“. (Adalbert Stifter: Der Nachsommer. München 1977, S.616f.) Und hat er da nicht recht? Auch für heute, unsere Gegenwart? Andererseits fußt unser Gesellschaftssystem, also das postfaschistisch-postkommunistische, ganz wesentlich auf dieser Herdenmentalität – unüberwachte, ungeprüfte Individualisierung, wenn sie denn keinen materiellen Gewinn abwirft, unerwünscht. Diese Tendenz könnte auch mit dem Begriff des allgemeinen Vertrauensverlustes belegt werden, welcher nach und nach in alle Bereiche des Gesellschaftlichen bis hin ins Private und Intime eindringt, zuerst vielleicht nur als Wahrscheinlichkeit, dann aber bald schon als die Gewißheit des Vertrauensverlustes selbst. Vertrauensvorschuß, Grundvertrauen – alles passé! Mag natürlich sein, ich sehe das alles etwas zu pessimistisch, aber zur Wohlgemutheit habe ich momentan auch einfach keinen Grund – und selbst wäre ich bester Dinge und fände meine Berufung im gesellschaftlich Erwünschten, würde ich mich davon kaufen lassen? Nein, das glaube ich nun wirklich nicht, denn dafür ist es zu spät, das Vertrauen, das ich einmal tatsächlich hatte, ist gänzlich futsch. Kein Grund allerdings, sage ich, in Zynismus zu verfallen oder mit der Arbeit aufzuhören! [Entschuldigen Sie bitte die Unschärfe meiner Gedanken, ich pflege hier nur das erprobend-tastende, öffentliche Denken, alle Risiken, auch die des Gelobt- und Beschimpftwerdens, inbegriffen.]
Die Herde dient der Erde
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