Gleichnisse in literarischen Texten erscheinen mir oft wie das „oder so“ in der mündlichen Rede, als Pausenfüller oder Übergang zu weiteren Ausführungen. Je mehr „wie“ und „als ob“ ein Text beherbergt, desto mittelmäßiger ist er gemeinhin. Dabei ist es eine Kunst, an den richtigen Stellen das „wie …“ anzubringen, denn es geht ja nicht um Verdeutlichung des eh schon Gesagten, sondern darum, dem Banalen oder Subjektiven für einen winzigen Moment eine Größe zu geben, die ihm objektiv nicht zukommen kann. Aus diesem Grund sprach Gott mit Hiob nicht unter vier Augen, wie zuvor der Wette wegen mit dem Teufel, sondern mittels des Wetters, um so Gleichnis zu sein für den gerechtfertigten Zorn Hiobs. Am Ende bekam Hiob in allen wesentlichen Punkten sein Recht und durfte wieder einfach nur Mensch sein. Die überpersönliche Bedeutung seines Zorns aber blieb, weil der sich einmal, nämlich im „Prozeß“, erhoben hatte über den Zornigen selbst. In Ein Porträt des Künstlers als junger Mann von James Joyce wird über Stephen Dedalus berichtet: „Es brach aus ihm hervor wie ein Wehklagen der Verzweiflung aus einer Hölle voller Leidender und erstarb in einem Wehklagen wütenden Flehens, ein Schrei um schändliche Kapitulation, ein Schrei, der bloß das Echo einer obszönen Kritzelei war, die er auf der schwitzigen Wand eines Pissoirs gelesen hatte.“ (S.120) Von der persönlichen Hölle zur Hölle aller und wieder zurück in einem Satz, als ein Paukenschlag, der alle Paukenschläge bedeutet. Hier zeigt sich (auch durch die wunderbare Übersetzung Friedhelm Rathjens), wie Gleichnisse in die Textur eingewoben werden können, ohne einfach nur „oder so“ zu bedeuten.
Gleichnis & Zorn
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