Ludwig Feuerbach schreibt in Das Wesen des Christenthums folgendes: „Die Religion, wenigstens die christliche, ist das Verhalten des Menschen zu sich selbst, oder richtiger: zu seinem Wesen, aber das Verhalten zu seinem Wesen als zu einem andern Wesen. Das göttliche Wesen ist nichts andres als das menschliche Wesen oder besser: das Wesen des Menschen, abgesondert von den Schranken des individuellen, d.h. wirklichen, leiblichen Menschen, vergegenständlicht, d.h. angeschaut und verehrt als ein andres, von ihm unterschiednes, eignes Wesen – alle Bestimmungen des göttlichen Wesens sind darum Bestimmungen des menschlichen Wesens.“ (Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christenthums. Dritte Auflage, Leipzig 1849, 2. Kapitel. [1. Auflage 1841]) Aber wir wollen uns nicht auf Zitate stützen, sondern fragen, was denn heute in der westlichen Welt dieses Wesen sein kann bzw. ist, das vom Menschen angeschaut und verehrt wird als „ein andres, von ihm unterschiednes, eignes Wesen“. Wenn die Statue des Königs der König selbst ist, und man also den König anpinkelt, wenn man gegen die Statue uriniert, wenn im antiken Griechenland und Rom die Statue des Gottes oder der Göttin immer sie selbst sind als göttliches Wesen, also das mit dem Urinieren auch hier gilt, was ist dann in unserer westlichen Moderne die berühmte Sängerin oder der berühmte Fußball- oder Fernsehstar? Denn, machen wir uns nichts vor, angepinkelt wurden die Angebeteten immer schon auch, nicht nur verehrt, und dies, beides!, heutigentags vielleicht krasser denn je, nimmt man nur (einerseits) das Wort shitstorm als den passendsten Ausdruck ever. Schon der biblische Hiob hat Gott, ganz zurecht, angeschissen, weil dieser wegen einer Wette mit dem Teufel es zuließ, dass des Hiobs Familie ausgelöscht, sein Besitz vernichtet und seine Gesundheit ruiniert wurde. Am Ende muss der von Hiob angeklagte Gott gegen sich selbst als Täter zu Gericht sitzen und verurteilt sich selbst zu Reparationsleistungen, neue Frau, neue Kinder, prima Gesundheit und alles Besitztum doppelt zurück. Doppelt!! Einfach hätte ja wohl auch gereicht, oder? Und da liegt schon eines der Probleme und die üble Wurzel des Kapitalismus. Übrigens: Hätte Gott ganz zeitgemäß die Todesstrafe als Urteil festgesetzt, so hätten wir heute diese ganzen Scheißprobleme nicht mit der absolut ungerechten Verteilung des Besitzes und der Produktionsmittel auf diesem Planeten – aber nein, aber nein, aber nein, Gott als der ultimative Oberkrösus kauft sich praktisch frei, macht einen Einzelnen, also Hiob, wieder zum wohlhabenden, zum doppelt wohlhabenden Mann und nimmt ihm so alle Wut und Energie und also den Antrieb, aufgrund der gemachten Erfahrung mit Besitz über eben das Besitztum als solches nachzudenken und eine Schrift dazu zu verfassen, nämlich Das Kapital. Etwa zweitausendzweihundert Jahre, bevor Karl Marx den Widerstand gegen diese Verteilungspraxis von Besitz und Kapital wieder aufnahm, hätte Hiob (andere Schreibweise: Job) zum Begründer einer gerechten Weltordnung werden können, was dann etwa vierhundert Jahre später ein gewisser, von Gott aus seinem schlechten Gewissen heraus geschickter Jesus von Nazaret wieder hätte tun können, aber auch dieser hinterließ keine eigenen Schriften und hatte (wie Hiob) leider auch keinen kongenialen Schriftsteller zur Seite, so wie Sokrates, der sich ebenfalls geweigert hatte, seine Gedanken zu verschriftlichen, mit „seinem“ Platon. Gegen die Schriften Platons sind die meisten biblischen Texte krude und fordern kaum einmal zum selbständigen Denken auf, während allein der Bericht Platons über die Anklage des Sokrates, nach der er durch seine Reden die Jugend verderbe, schon die klarste Vorlage bietet, über Herrschaft, Gerechtigkeit, Tod und vieles weitere nachzudenken. Und heute gilt es eben wieder nachzudenken und damit den Lauf der Dinge zu ändern, bevor all die Fullsize-Kapitalisten und selbsternannten Götter dieses Planeten es getan haben werden und noch krasser als zuvor weitermachen mit dem Töten von Menschen und dem Ruinieren der schönen Erdkugel. So. Das dazu!
Dieser Text ist in freier „kleistscher“ Gedankenassoziation entstanden und ohne Unterschrift gültig.