Die Ästhetik des technisch Miserablen I

Fachmenschen muss man nicht kommen mit gleichsam andersherum gedachten und gemachten Bildern, Fotos, Objekten und sonstigen Dingen der bildenden Kunst, da fehlt zumeist jedes Verständnis. Das Unvollkommene, das Fragmentarische, ja das billig gemachte ist oft nicht Form genug, die Idee in ihrer Gesamtheit reicht ihnen nicht – das Gleiche mit besserem Material, besserer Technik, besserem Konzept wäre zu akzeptieren, würde beurteilt werden können. Aber wäre es, so frage ich, angesicht der Perfektion des Technischen, angesichts all der Möglichkeiten, es oftmals fraglos wirklich perfekt zu machen, nicht an der Zeit, eine neue Arte Povera zu begründen, vielleicht sogar einfach aus dem Gedanken heraus, sich nicht von der Technik verführen, lenken, beherrschen zu lassen? Das Erschaffen von „armen“ Kunstwerken nicht als ein Kunstgriff, ein Unterlaufen des Gängigen, des Kunstmarktes, sondern schlicht als eine Vereinfachung, als eine Entscheidung, nicht aus dem Vollen schöpfen zu wollen, sondern mit einfachen, unspektakulären Mitteln auszuloten, was mit eben diesen Mitteln machbar ist. Das nimmt den Kunstwerken, die nur mit hohem technischen Aufwand zu erschaffen sind, nichts von ihrer Idee, das „Unvollkommene“ will nicht Vorstufe sein, sondern ist wie alle Kunst der Versuch, der Welt etwas zwecklos Ästhetisches (in ihrer gesamten Bandbreite) hinzuzufügen, was die Welt noch nicht gesehen hat.

Brandenburg et alia 001A. © Norbert W. Schlinkert 2022.

 

 

 

 

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