Januarbrief 2010

Mit dem Januar geht alles wieder von vorne los! Wenn man nur wüsste, was. Immerhin sind die alten Fragen nach wie vor ungeklärt, da ändert auch ein so genannter Jahreswechsel nicht das geringste. Auch die Meldung des verstandeseigenen Pressedienstes, nach der der weitgehende oder vollständige Verzicht auf Theater, Kino, Konzert und Urlaubsreise weiter aufrecht erhalten wird, ist kaum mehr als eine Attitüde verhinderten Selbstmitleids. Vorwärts im Kreis heißt die Devise, und manchmal wird aus dem Kreis die Spirale, die unmerklich nach oben unter unten weist. Das ist die Wahrheit, unabhängig von der funkuhrzerhackten Zeit, die nicht mehr und nicht weniger unendlich ist, gleich, was geschieht. Immerhin, der ein oder andere gerettete Augenblick wird schon übrig bleiben, auch im Jahre 2010.

Mit reinen Fakten und mit Superlativen kommt man nicht weiter. Das höchste Haus der Welt, die tiefste Fallgrube, der bescheidenste Mensch. Da fühlen sich doch alle anderen Häuser, Fallgruben und Menschen um so schlechter, ach was: am allerschlechtesten. In den Prenzlauer Bergen ist im Grunde nichts superlativistisch (außer vielleicht wenn in England Schulferien sind), denn dafür ist hier alles zu flach, wenn es auch zum Ultraflachen nicht reichen will. Oberkrass!

Der Mensch ist nur Mensch, wenn er spielt, oder so. Von Schillern, Friedrich. Der kannte die Play-Station nich‘, definitiv! Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben.

Überall liegt Schnee, nur in den Prenzlauer Bergen nicht. Hier ist stattdessen kristallierte Schlagsahne vom Himmel gefallen. Sieht genau so aus, schmeckt aber anders. Ist mal was Neues. Apropos Neues: ab jetzt ist das Ruhrgebiet, wo es kräftig schneien soll, für ein Jahr RUHR2010. Huh! Was da wohl auf uns zu kommt? Vielleicht nur das Beste, denn wenn die Touristen nach Essen, Dortmund und Bottrop strömen, Castrop-Rauxel (lateinischer Name für Wanne-Eickel) nicht zu vergessen, dann ist hier endlich mal Ruhe. Vielleicht schicken ja auch die Eltern ihre Knirpse für ein Jahr in der Ruhrkulturkindergarten, wer weiß. Himmlische Ruhe. Schön wär’s!

Naturgemäß war die Welt schon immer in einem fürchterlichen Zustand; Geburt, Verwesung, Auferstehung allerorten. Und der Mensch mittendrin statt nur dabei! Und falls das mal nicht so offensichtlich an der Tagesordnung war, hat der Mensch sich das einfach mal ausgedacht und weitererzählt. So muss das Alte Testament entstanden sein, in ruhigen Zeiten, in denen grad mal nicht die Welt unterging. Heutigentags allerdings geht die Welt jeden Tag unter, weil sie – die Welt – einfach nicht mehr normal sein will, ja es scheint so, als weiche sie mit voller Absicht vom langjährigen Mittel ab. Dass das langjährige Mittel sich aus den Schwankungen ergibt, die die Zeit uns schenkt, ist eine Erkenntnis, die den Katastrophenjournalismus hemmt – und das in einer Lage, in der Wachstum das A und O ist! Wohl denn!

Klugscheißern will gelernt sein! Manch einer verdient sein Geld damit, bzw. er bekommt etwas dafür. Andere fahren mit dem Auto im Kreis. Natürlich verdient jeder Mensch etwas, nicht zwangsläufig Geld, aber oft. Es ist alles eitel Popanz, jedes Menschenleben einzig, ohne wirklich artig sein zu können. Kalauer, lebst Du noch? Sein wir doch mal ehrlich: wen hat es denn nicht wenigstens ein Mal erwischt? Nichts dürfte schwieriger sein. Und damit zurück nach …

So, wieder einmal eine Minute rumgebracht. Nicht etwa, daß (oder dass? Ich habe vergessen, ob ich diese Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen alt oder neu schreibe – habe ich eigentlich schon einmal zum bestenBesten gegeben, wie ich die für den Rechtschreibmurks Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen würde? Nein? Dann eben nicht!) – jetzt habe ich auch noch vergessen, was ich wie schreiben wollte. … Ah! Jetzt fällt’s mir wieder ein.

Sich für ungemein wichtig zu halten muss nicht unbedingt gesund sein, hält aber auf Trab. Sich für gemein unwichtig zu halten, ist überaus bescheiden und macht krank, so oder so. Klein und immer bereit sein, wichtige Aufgaben zu erfüllen, hat den Arbeiterparteien anno dazumal jedoch einigen Zulauf beschert, sie waren das Klima, in dem so eine Pflanze wächst und gedeiht, bis geerntet wird. Das ist die gemeine Wahrheit, und je früher sie erkannt wird, umso besser. Der aus dem Paradies vertriebene Arbeiter hat es heute schwer, er wächst nicht, er gedeiht nicht, und geerntet wird nicht. Nur noch gerodet.

Sei lieb! Als Kind tausend Mal gehört, und selbst als Steppke bekommt man sofort mit, dass das eine Drohung ist. So’m Riesenmonster von Erwachsenem fiel es natürlich gar nicht ein, eine lautloses Komma zu setzen und ein sonst hinzuzufügen, denn der Ton macht die Musik. Hamm’se richtig erkannt. Bin natürlich nicht lieb gewesen. Jahrzehnte später diese Werbekampagne Sei Deutschland, auch ohne Komma und auch ohne sonst. Immer diese Drohungen!

Das kommt die Menschheit teuer zu stehen! Sagt man so. Aber was bedeutet es? Zunächst einmal geht es um die Zukunft, so wird es einmal sein, in einem Augenblick, und dann wahrscheinlich für immer. In den Prenzlauer Bergen – Versuchslabor westlicher Abschnitt, Ostsektor – ist so einiges schon sichtbar, sowohl das Teure als auch der Stillstand. Denn zu stehen zu kommen hört sich nicht mehr so dynamisch an. Vielleicht sind es aber auch nur die klebrigen alten Mythen, in denen man feststeckt. Wer weiß! Hauptsache teuer.

Mein Gott! Ist das schwer! Wobei mein Gott! nicht so sehr Anmaßung als vielmehr Übervorteilung eines schwer arbeitenden Wesens ist. Tja. Denn: O my God!, das ruft der gemeine Amerikaner immer dann, wenn was abgeht, was nichts weiter beweist, als dass er, der Amerikaner, ganz, ganz nah dran ist. Wir Prenzlauer Berger haben’s da eher schwer, denn wenn wir schon nicht komisch sind, dann wär’s doch schön, wenigstens nah dran zu sein. Apropos komisch: wird mal Zeit, dass einer einen guten Witz macht über die Prenzlauer Berger, sonst denken die Leute noch, o my God, sind die denn überhaupt nicht satisfaktionsfähig!? Die Antwort erspar‘ ich mir – nicht mal einen Sekundanten findeste hier! O my God! Aber ehrlich.

© und alle denkbaren Rechte weltweit und darüber hinaus bei Norbert W. Schlinkert 2010

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