Lebenslesezeit

Literarisch betrachtet ist der Frühling eine hoffnungsvolle Zeit – so begann ich vor einer Weile einen Beitrag und brach ihn ab, worauf er in den Entwürfen landete. Also keine Ahnung, was ich sagen wollte, wäre wahrscheinlich sowieso der übliche Blödsinn gewesen. Das war’s dann auch schon, oder wäre es gewesen, wenn mir nicht eben eingefallen wäre, daß ich nach Döblins Wallenstein ein Buch lesen will, auf das ich mich freue, eine Wiederveröffentlichung, nämlich Die erbeuteten Frauen. Sieben dramatische Geschichten von Johannes Urzidil, erschienen im Elsinor Verlag. Die Erstausgabe erschien 1966, es gilt also, literarisch mal wieder eine Zeitreise anzutreten, die all jene nicht tun können, die sich ausschließlich mit der „aktuellen“ Literatur zu beschäftigen haben – eben diesen Zeitgenossen möchte ich hiermit mein Bedauern aussprechen, ich bemitleide sie ganz herzlich, denn die Lebenslesezeit ist ja schließlich begrenzt wie alles andere auch, selbst wenn ich nicht abstreiten will, daß es 1) auch unter den Neuerscheinungen gute Literatur gibt und auch mir 2) am Ende etwas Lesenswertes verloren gehen wird. Ich wünsche einen schönen Lesefrühling!

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2 Antworten auf Lebenslesezeit

  1. Iris sagt:

    Oh, da fühle ich mich mit angesprochen und möchte doch herzlich darum bitten, nicht in Ihr Bedauern mit eingeschlossen zu werden. 😉
    Wichtiger als „alte“ oder „neue“ Bücher lesen zu können, ist doch, aus freien Stücken zu wählen, keinen „Lesebefehlen“ zu folgen, keine anderen als die selbstbestimmten Kriterien anzuwenden, dem eigenen Geschmack mehr zu trauen als „klugen“ Kritikern. Dass eine Auswahl auch aufgrund nur begrenzt zur Verfügung stehender Zeit getroffen werden muss, ist ja klar. Dennoch finde ich unter den Neuheiten, die ich von Berufs wegen bevorzugt zu lesen habe, immer noch so viele, die ich auch lesen will, dass ich das Pensum gar nicht bewältigen kann.
    Und irgend-, irgendwann werde ich meine alten Schätze aus ihren staubigen Winkeln hervorholen, sie nach Jahren zum wiederholten Male aufschlagen und sofort die alte Vertrautheit spüren, wenn sie zu erzählen beginnen …
    Auch Ihnen einen schönen Lesefrühling!

  2. Sie haben natürlich recht, man sollte dem eigenen Geschmack trauen! Ich habe mir bisher nur sehr selten Bücher von Zeitgenossen durch Zeitgenossen empfehlen lassen – schon gar nicht von „Kritikern“ –, sondern immer mit der Nase in den Bücherregalen herumgeschnüffelt, im eigenen wie in fremden. Das ist nach wie vor die beste Methode, finde ich. Eben noch fiel mir Samuel Becketts ‚Watt‘ wieder einmal in die Hände, ich hätte große Lust, es wieder einmal zu lesen, während andererseits Döblins Erzählungen warten wie auch eben der oben erwähnte Urzidil und der ‚Fettberg‘ von Phyllis Kiehl und ‚Verdi. Roman der Oper‘ von Franz Werfel, dazu noch das bereits angefangene und dringend wieder zu lesende ‚Der Wille zum Wissen‘ von Michel Foucault – ‚Meere‘ von Alban Nikolai Herbst liegt da auch noch und Nora Bossongs neuer Roman will auch noch erworben und gelesen werden, mal ganz abgesehen davon, daß mein eigener Roman noch in der Überarbeitung steckt und bis Ende Mai fertig sein muß. Mit anderen Worten: dem schönen Lesefrühling steht nichts im Wege!

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