Im (und mit dem) Schweigen wird, scheint mir, Sprache geboren, nicht zuletzt die literarische, so wie das Laufen auch notwendig aus Momenten besteht, in denen der Läufer ohne Bodenkontakt ist und eigentlich fliegt. Dieses Fliegen, dieses momenthafte Abheben, macht den Lauf erst zum Lauf. Selbst bestünde ein Text aus ohne Lücke aneinandergereihten (nur kleinen oder nur großen) Buchstaben, so setzte der der Sprache kundige Leser die Lücken und Satzzeichen, indem er Schweigen in den Text hineingibt, die jeweiligen Worte, denen das Schweigen gilt, so erfassend, belebend, hebend und auch verbindend und das ganze Gebilde all so ins Laufen bringend. Aber Schweigen ist nicht gleich Schweigen, dünkt mir, so wie Wort nicht gleich Wort ist, es, das Schweigen, lädt sich im Text und am Text auf als bestimmte und immer bestimmtere Differenz von Wort zu Wort, die, sich mit diesen verkettend, sich erfüllt in Sinn und mit Sinn – so lange jedenfalls, wie es Worte gibt und das Schweigen in ihnen und mit ihnen eine Richtung hat, in die die Worte und das Schweigen als Text weisen, gehen, laufen, fliegen. Getaktete Gegenwart. (Nur so ein Gedanke, der einem Gedanken folgte, dem ein Gedanke folgt. Auf der Stelle fliegen. Gedankengang, Textlauf.)
Gedankengang / Textlauf
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Und Zweisamkeit ist erst dann möglich, wenn man zuvor einsam war und immer wieder in diesen Zustand zurückkehren kann/muss.
Mir erschließt sich, ehrlich gesagt, nicht ganz, inwiefern sich Ihr Kommentar auf meinen Text bezieht, auch wenn das, was Sie sagen, zweifellos stimmt.
Das erschloss sich mir auch nicht sofort, weswegen ich eigentlich gar nicht kommentieren wollte. Aber irgendwie musste ich nach den ersten Satzen genau daran denken.
Ich glaube es liegt an der relativen Nähe zwischen Stille (Schweigen) und Einsamkeit.
Schweigen und Einsamkeit, der Wechsel zwischen den Zuständen, die Taktung, von der ich schrieb. Ja, jetzt sehe ich, warum mein Gedankenspiel Ihren Gedankengang auslöste!
Ihr Bild vom Schweigen als dem Moment, in dem der Läufer abhebt. Sehr schön. Rhythmus, „Taktung“, Atmen, Pulsieren, der Flow, wie es heute so inflationär heißt. Und dass ich als Leser das Schweigen „hineingebe“ in den Text. Noch schöner. Ich denke ja gelegentlich über das Zeichnen nach. Wie da das Schweben eines weißen Blatts durch die Linie geerdet wird. Wie wichtig es aber ist, das Blatt nicht niederzudrücken durch allzu viel Linie. Ich weiß nämlich nicht, ob eine Betrachterin das Weiß „hineingeben“ könnte ins Bild. In ein totgemaltes Bild z. B. Auch Ihr Autor muss ja den Leser erst einladen, in den Text hineinzuschweigen. Er muss sogar die Leserin dazu einladen.
Als Betrachter das „Weiß“ ins Bild hineinzugeben wird wohl eher nicht möglich sein, denke ich – das muß, sozusagen, gelassen werden als das, was schon da ist, als raumgebend, tiefegebend. Tatsache ist aber, der Betrachter muß hineingelassen werden und auch hineinwollen. (Ich erinnere mich meiner meist mißlungenen Versuche, Aquarellandschaften zu malen, die überwiegend aus Nebel oder Dunst bestehen sollten – wie oft habe ich da nicht zu viel gestrichelt und gefärbt, also keinen Raum gelassen, in den der Betrachter hineinkonnte. Bei meinen Zeichnungen schaffe ich es eher mal, keinen Strich zuviel zu machen, so wie bei dieser Kritzelei dort: https://nwschlinkert.de/romane/)