Lebensentrümpelung

Ich habe keineswegs mit mir gerungen – was ist das auch für ein Bild: mit sich selbst ringen! Hört sich schwer nach Fight Club an, finde ich. Nein, nein, ich ringe nicht mit mir, ich debattiere, und zwar ständig, was sich auch nach was anhört, das mir aber grad nicht einfällt. Ich setzte mich also mit mir selbst auseinander, sagen wir es so, bilde zwei (oder mehr) Positionen ab und komme, ganz allein, gelegentlich zu Erkenntnissen – wie es war, wie es ist, wie es weitergehen soll, mit wem ich meine Zeit verbringe, was ich zu arbeiten gedenke und so weiter. Bis hin zu der Frage, an welchen Bäumen die schönsten Früchte wachsen und wie ich da hin und da dran komme, also wie ich meinen Lebensunterhalt erwirtschafte. Hätte ich Mitte 90er-Jahre auf den Rat eines Berufsberaters gehört, so könnte ich heute verbeamteter Lehrer sein, was mir aber schon damals als eine Form des schleichenden Selbstmords erschien, so dass ich schließlich etwas Richtiges zu studieren beschloss und das auch tat, nämlich Kulturwissenschaft / Ästhetik. (Das zweite Hauptfach, Theaterwissenschaft / Kulturelle Kommunikation, wählte ich, weil die Lehrveranstaltungen im selben Gebäude in der Sophienstraße stattfanden – oh ja, ich kann auch pragmatisch sein!) So trieb ich die Kulturwissenschaft ziemlich weit und vertiefte mich in meine Themen, woraus zunächst die Magisterarbeit entstand und schließlich die Dissertation. Warum ich Ihnen das erzähle? Natürlich nicht, um damit anzugeben, auch wenn das manchem so scheinen mag, was ich durchaus nachvollziehen kann, bin ich doch in einer Gegend aufgewachsen (südöstliches Ruhrgebiet), wo Ehrgeiz sehr skeptisch beäugt wird und wo, kurz gesagt, allein Fleiß, Fleißigsein zählt und eine ganz gewisse Form der Bescheidenheit. Doch nach der Tischlerlehre Tischler sein zu wollen, das kam für mich nicht infrage, ratzfatz, ich erinnere mich gut, hatte ich das entschieden, so wie ich mich jetzt, dreißig Jahre später, entschieden habe, die Kulturwissenschaft aufzugeben, sie dranzugeben, es bei dem zu belassen, was da ist als Ergebnis des Lernens und Erfahrens und Erforschens. Punkt also. So etwas nennt man dann wohl Das-Leben-Entrümpeln, es ist nicht dramatisch, aber notwendig, in jedem Fall nichts, was überbewertet werden sollte. (Was ist das Wort Entrümpelung doch schön und die deutsche Sprache ach so blümelig!) Hauptsache jedenfalls, ich fühle mich wohl damit und kann mich anderen Dingen widmen, die da heißen Schreiben und Schreiben, einmal als Kunst und einmal als Erwerbstätigkeit, was in dieser Welt wahrscheinlich heißt, da sollte man sich nichts vormachen, das eine vom anderen getrennt halten zu müssen. Also, wir werden sehen!

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