Immer wenn ich Texte ins Leben hinausgelassen habe, sie also gedruckt und damit fix & fertig sind, stelle ich mir vor, nichts Weiteres mehr schreiben zu können. Aus dieser Vorstellung heraus finde ich mich dann jedesmal in einem neuen Text wieder, der nicht zwingend Bestand haben muss, aber ein Beginn ist aus dem Nichts heraus:
Still, so schreibt einer, ist der Grund meines Meeres, und da dieser Satz auf Deutsch geschrieben ist, begreife ich das Wort Grund in doppelter Weise. Als Meeresboden und als Ursache. Und da ich diese beiden Begriffe auf Deutsch schreibe, begreife ich wiederum den zweiten Begriff als Grund allen Seins am Beginn aller Zeiten. Als Ursprung. Und da auch dieser Begriff ein deutsches Wort ist, erkenne ich darin den Sprung vom Nichtsein zum Sein. In’s Sein hinein. Was soll ich sagen: da bin ich nun und trete als Kind vor die Haustüre und erkenne, ich bin ich. Ein Ich. Seither denke ich diesen Satz jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe, aus welchem auch immer. Ich bin ich. Die Anderen dort draußen sehen mich und mein Meer spiegelglatt oder bewegt oder gar schäumend, in die Tiefe aber sehen sie nicht, von der Stille wissen sie nichts, von all dem zwischen Grund und Schein wissen sie nichts. Selbst wenn auch sie, die Anderen, eine Stille in sich beherbergen, wissen sie nichts über mich und meine Stille. Auch ich sehe nur das Bild eines Gegenübers, und selbst wenn ich ihn zu ergründen trachte, so bleibe ich doch an der Oberfläche, es sei denn, dieser Mensch …
So geht es also los, und ich weiß natürlich, wer in welchem Buch den einleitenden Satz schrieb, der sich weiter fortwindet (Still ist der Grund meines Meeres: wer erriethe wohl, dass er scherzhafte Ungeheuer birgt! Unerschütterlich ist meine Tiefe: aber sie glänzt von schwimmenden Räthseln und Gelächtern)*, doch ich weiß auch, dass ich dieses ganze Buch nicht mag, es ist wichtig und berühmt, aber von schlechtem Stil, es ist durchdrungen von Pathos, von deutschem Pathos, es dröhnt statt zu klingen, es ist das überhobenste, misslungenste aller berühmten Bücher, und doch ist da dieser eine Satz, Still ist der Grund meines Meeres, der mir heute aus dem Nichts heraus den ersten Schritt möglich macht in einen neuen Text, der nun der Welt zwingend etwas hinzufügen muss, ansonsten er wieder verschwinden wird in seinem Nichts. Ein Anfang aber ist gemacht.