Norbert W. Schlinkert
JEDER PFIRSICH
Erzählender Essay, vulgo Roman
Erstes Kapitel
Wir stehen in der entscheidenden Schlacht. Es geht um Material und es geht um Quantität. Auch das Gute, das Schöne, das Menschenfreundliche benötigt Menge und Masse, so viel davon wie möglich. Warum? Weil das Böse, das Hässliche und Abstoßende aus dem vermeintlichen Nichts heraus ungeheure Mengen an Mist erzeugen kann, das Gute und das Schöne aber nur über begrenzte Ressourcen verfügt. Sehr begrenzte. Merken. Ich überlege, ob ich statt des Punktes nach Merken ein Ausrufezeichen setzen soll. Ich lasse es bleiben, weil ich nicht rufe. Sagen reicht: Die Künstliche Intelligenz lernt aus allem, was im Netz steht, und je mehr bösartiges Zeugs sie findet, desto mehr arbeitet die KI damit, bis sie schließlich ganz emotionslos und wie selbstverständlich mit ihrem Können und Wissen die Macht übernimmt über die Menschheit. Da hilft dem Menschen dann irgendwann nur noch, sich selbst in die Steinzeit zu versetzen, indem er alle Energie kappt, um der KI den Lebenssaft zu entziehen. Gesagt werden muss zudem, wie sehr das Böse auch im Guten fest verankert ist, in die Eingeweide ist es eingewachsen, und wie böse und zerstörerisch ich selbst in meinen Gedanken agiere, auch wenn ich nicht das geringste Verständnis aufbringen möchte für die Bösartigkeiten anderer. Alle Schriftsteller sind inwendig böse, auch das sei gesagt, egal wer sie oder was sie sind, sie gehören, um überhaupt schreiben zu können, unzweifelhaft dem Bodensatz des Daseins an. Doch sie sind alle auch einzeln, vereinzelt, je eine Zelle nur. Während das WordWideNet aber allen in der Tat bösen Menschen dieses Planeten unendlich scheinende Möglichkeiten des Handelns ermöglicht, profitiert kein einziger Schriftsteller vom weltweiten Netz, ganz im Gegenteil schadet ihm der ganze Unsinn immens. Doch sind da nicht auf den Buchmessen des Landes zehntausende Bücher materialhaft am Ort des Geschehens präsent, inbegriffen die paar Dutzend, die es auf die Bestsellerlisten schaffen und also gekauft und womöglich auch gelesen werden? Ja, schon, sage ich, aber das ist unerheblich und nichts weiter als Umweltverschmutzung. Doch nun endlich zur Handlung, die im zweiten Kapitel losbricht. Oder loszubrechen scheint.