Zu Alban Nikolai Herbst: Kleine Theorie des Literarischen Bloggens/7

Ein Buch zunächst bis zum Ende durchzulesen, um es dann zu besprechen, riecht nach Arbeit, die bezahlt werden muß. Ein Buch zu lesen und es sozusagen zwischendurch, dem Stand der Dinge entsprechend, mehr oder weniger nachdenklich zu kommentieren, ist etwas anderes. Das Risiko des Danebenliegens ist größer, dafür aber ist der Zugang unmittelbarer, emotionaler. Im fünften Teil dieser kleinen Überlegungen zu des Herbstes Theorie schrieb ich vom höheren Text-Interesse desjenigen, der ein Buch zur Hand nimmt, während der selbe Text auf dem Bildschirm allen gelte und keine Emotionen auslöse. So wundert es mich nicht, daß Herbst „später“ im Buch eben dies anspricht – ein Literarisches Weblog habe etwas überindividuell Abstraktes und lasse, anders als irgendein Ding, keine emotionale Vertrautheit zu. Ein Buch zu öffnen habe indessen immer etwas von Inbesitznahme. (S.29)

Ein Buch ist, nicht zu vergessen, eine einseitige Angelegenheit, wie dies bereits der platonische Sokrates bemängelte, denn ein Buch antworte, anders als ein Mensch, nicht auf Fragen. Dem wäre einiges entgegenzusetzen, was den alten Griechen wundern würde, doch bleiben wir bei der Sache, nämlich dem Literarischen Weblog, das kein Buch sein kann, in jedem Fall aber auf Zwiesprache setzt. Wie findet diese statt? Nun, zum einen ist das Weblog selbst die Geschichte der dort stattfindenden Kommunikation, es ist (vom Anspruch her) Literatur (primär oder sekundär verstanden), zum anderen gibt es darüber hinaus meistens (oder gar immer) eine Hauptperson, einen Protagonisten, wenn man so will. Dieser, oder diese, ist nicht privat im Netz unterwegs, sondern setzt sich durch Selbstentäußerung und Selbstbeschreibung als ein lebendiges Ich, wesentlich durch Worte erschaffen. Welche Rolle aber spielt der antwortende, der die erzählte Geschichte konkret verändernde Leser? Wie ist die Stellung des Einzelnen in dieser „Schreibgemeinschaft“ zu verstehen, vor allem wenn Leser untereinander im Weblog diskutieren oder sich beschimpfen, während etwa die Hauptperson momentan nicht präsent ist? Herbst geht zunächst davon aus, daß eben diese Gemeinschaft der Leser eine simulierte Community sei, ja daß es sich dabei sogar um eine Falle handelt, eine Falle des Privaten – Folge davon sei, daß eben das Weblog sich nicht selbst als Kunstwerk schaffe, denn die „Imagination des Literarischen“ projeziere sich auf eben diese Gruppe. (S.32) Alles nur erfunden also und imaginär? Das hätte das Literarische Weblog mit dem Roman gemein, doch in eben diesen taucht der Leser gleichsam „mitschreibend“, dazuerfindend und verlebendigend ein, während er im Weblog zwar mitschreibt, nicht aber emotional eingebunden, eingenommen ist, nicht abtaucht in eine andere Welt. Doch auch der Roman heutiger Prägung mit seinen poetischen Ichs ist nicht von heute auf morgen entstanden, warten wir also ab, wenn auch nicht tatenlos, was aus dem Literarischen Weblog wird.

 

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