Februarbrief 2010

Der Februar der Februar, der ist in jedem Jahre wieder da (geht auch mit Januar)!

Jetzt aber mal Spaß beiseite. Die Welt ist in einem ernsten Zustand, viel ernster als so mancher Spaßvogel denkt. Während auf der einen Seite die ein oder andere Stadt zu einem Museum mit Shops verkommt, ob Venedig oder Rothenburg ob der Tauber, sind andere Städte allein aus der Plattenbaueritis heraus als Glücksversprechen entstanden, und die Menschen, die dort gerne wohnen, sollen das gerne tun. Wer es mag, nur übereinander zu wohnen, ist dort gut aufgehoben, wer aber außer übereinander noch gegenüber wohnen will, dem kann man die Prenzlauer Berge, trotz der vielen Vierbeiner, nur empfehlen. Wo sonst drücken sich die Menschen ihre Pickel vis-a-vis aus, wo sonst sitzen die Schlaflosen einander gegenüber und könnten sich zuwinken, was sie aber keinesfalls tun, wo sonst sitzen Katzen in Fenstern und spielen mit einem das Spiel, wer am längsten den Blick des anderen aushält. Katzen verlieren immer, doch das überlegene Abwenden des Blickes macht ihnen keiner nach. Natürlich, auch in den Prenzlauer Bergen gibt es Shops, in denen Modepuppenbekleidung, Stehrümchen und Mythos-Kopien verkauft werden, doch so lange gegenüber wenigstens noch ein einziger Gemüseladen in der Hauptsache Gemüse verkauft, ist das Übereinanderwohnen nur die halbe Wahrheit.

Die Ästhetik, soweit sie eine Nation betrifft, „kulminiert“ oftmals in einem Produkt oder einer Produktserie, wobei es sich hier zumeist nicht um Kulmination im eigentlichen Sinne handelt, sondern um die Durchschreitung eines Tiefpunktes. Berühmt ist etwa der erste VW-Golf, dessen Hässlichkeit einem jeden ästhetisch empfindenden Menschen die Schamesröte ins Gesicht treiben musste, es sei denn, die Ästhetik des Hässlichen hätte es ihm angetan. Heutigentags ist es eher das Programm des Kram-Discounters Tchibo (dessen rosa-hellblau-braune Kollektionen die psychosoziale Lage in Deutschland besser beschreiben als jede Studie), das die Talsohle bedeutet, auf der Stupidität und Kupidität fröhlich Hochzeit feiern – oder es wenigstens versuchen.

Tauwetter ist nicht in Sicht, die nichtolympischen Winterspiele in den Prenzlauer Bergen werden fortgesetzt. Heute wieder im Programm: Schlittern und Schlottern. Zeitgleich finden sich auf der Wissensseite der Süddeutschen Zeitung bedenkliche Hinweise darauf, dass ein Mensch womöglich kein, Rosenkohl dafür ausreichend Bewusstsein hat, um um Hilfe rufen zu können. So lange wir den Rosenkohl essen, ist das nicht weiter bedrohlich, wenn es auch ausnehmend komisch wäre, wenn besagter Kohl die so genannten Wissenschaftsjournalisten verspeisen würde, damit endlich Schluss wäre mit dem Quatsch. Denn die einzig nachvollziehbare Erklärung dafür, dass Rosenkohl ein Bewusstsein hat, ist, dass es dereinst einmal Hirn geregnet hat, und dann sind die nicht in offene Köpfe gefallenen Teile, in einem 10.000 Jahre andauernden Prozess, zu Rosenkohl geworden. Das ist die Wahrheit.

Langsam wird’s besser! Natürlich nicht nur das Wetter, nein, auch die Qualität der Heuchelei in den politischen Tagesgeschäften ist noch gesteigert worden. Eine Oberbischöfin wäre natürlich auch zurückgetreten, wäre sie nicht beim volltrunkenen Autofahren erwischt worden – sie hätte das von sich aus zugegeben. Ansonsten ist sich natürlich ein Jeder selbst der Nächste, außer vielleicht der Außenminister, der ist sich immer der Nächstbeste, und überhaupt, geht das denn an, dass sich nicht alle hinter IHN (oder gleich IHM) scharren? Der arme Kerl muss doch recht verzweifelt sein, da quatscht er und quatscht er, und alles was er dafür bekommt, ist Geld, Geld, Geld; die Welt kann so ungerecht sein.

© und alle denkbaren Rechte weltweit und darüber hinaus bei Norbert W. Schlinkert 2010

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