Im ROXY konnte man und kann man sicher noch immer während der Filmvorführung pinkeln gehen, ohne quasi aus dem Saal in die Wirklichkeit zu müssen, weil die Klos direkt vom Saal aus zu erreichen sind. Man hört den Film, während man strullt und kommt erleichtert wieder zurück zu den Bildern, oder nein, zu dem Bild, dem vor dem Pinkeln zuletzt gesehenen, von dem man sich hatte abwenden müssen des Drangs wegen. Von da an liefen die Bilder der Tonspur hinterher, so schien mir es manchmal, so daß mir damals, Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre, nichts anderes übrigblieb, als den Film für schlappe sechs Mark, glaube ich mich zu erinnern, noch einmal zu gucken und dann einfach zu einem anderen Zeitpunkt oder gar nicht aufs Klo zu gehen, denn wer sagt denn, daß man während einer Filmvorführung aufs Klo zu gehen hat? Eben! Das dazu.
Das andere ist, daß mir damals schon dieses Berufskarriereverweigerungsdenken innewohnte, weil ich nie in so eine enge Kiste wollte, so daß ich folgerichtig aus allen Kisten wie ein Springteufelchen wieder heraussprang, kaum daß ich drin war, kaum hatten ein paar Jemande in mir einen Zugehörigen erkannt – da war ich auch schon lachend wieder davongezogen. Heute meine ich allerdings, und das ist eine Anmaßung, davon ausgehen zu können, der Beruf des Schriftstellers böte mir nun endlich die notwendige Bewegungsfreiheit in einer Kiste, die ich so lange suchte und die so lange die richtige ist, wie ich damit und darin keinen pekuniären Erfolg erziele, denn dann muß ja wieder in dem klein gewordenen Kistchen herumgefuhrwerkt und müssen dieser Jemande Erwartungen erfüllt werden, und eben das wollte ich ja nie. Das dazu.
Andererseits betreibe ich das Schreiben eben nicht nebenbei oder als eines von vielen Betätigungsfeldern, neinnein, ich schreibe nur noch, definitiv, selbst wenn ich etwas zeichne oder wenn ich mich gar in anderen Kunstbereichen herumtriebe oder selbst wenn ich nichts täte, alles ist mir Schreiben geworden, ja jede gegenwärtige Erfahrung ist schon fast ein Geschriebenwordensein („das furchtbare Bathos der Erfahrung“ heißt es in Samuel Becketts englischsprachigem Roman Watt original auf deutsch, ja: das ist furchtbar!), und genau das ist der Point of (englischer Begriff), daß nämlich das Schreiben eben keine pathetische Kiste ist, weil, erstens: das Schreiben sowohl eine Kiste ist als auch und eben deswegen keine Kiste sein kann, und zweitens: das Schreiben als Kiste und somit als solche und solches eine in sich über jedwede Grenze hinausgehende Bewegung darstellt, weil ich in meiner Kiste sitze wie ich lustig bin mit meinem kleinen Licht, denn was hinderte mich daran, die Kiste innen verspiegelt sein zu lassen (Spieglein, Spieglein in der Kist‘, da reimt sich nix, so ein Mist!). Und bin ja so viele! Das dazu.
„Weh dem, der Symbole sieht!“ So der letzte Satz in Becketts Watt („no symbols where none intended“), und eben dies ist der / das / die (Wort dafür) für das gesamte beckettsche Werk; ich muß immer noch lachen, wenn ich daran denke, wie Altvordere, Adorno zum Beispiel, sich die Birne zerbröselten, um Beckett zu „verstehen“! Ha! Da fehlte manch einem doch der / das / die (Wort dafür), während quasi zeitgleich die Philosophen unter den französischen Erbfreunden durchaus: begriffen, Deleuze und Guattari zum Beispiel, aber ich will mich jetzt nicht streiten, nur weil die deutschen Adornos einst in ihrer deutschen Philosophenkiste ohne Lichtlein im Dunkeln saßen und die Welt nicht mehr verstanden und nur noch verschlagworteten – das ist ja auch schon lange her und ich behaupte hier ja auch nicht, eine Deleuzung zu haben, nur weil mir alles Schreiben Schreiben ist und nichts Symbol. Das dazu.
Die Natur sorgt für uns und bildet zum Beispiel für unsere Ergoetzung und ohne jeden weiteren Sinn die menschlichen Geschlechtsorgane als etwas Eßbares nach, Pilze, Spargel, Pfirsich und so weiter, so wie zum Beispiel auf der Menschenseite Marzipanhersteller ohne jeden weiteren Sinn Kartoffeln, Mais, Kastanien, Äpfel und was sonst noch alles nachbilden, doch sie ernährt uns auch durch die ihr innewohnende Losgelöstheit von aller Vernunft, die weder Unvernunft ist noch Unsinn, sondern einfach immer nur das, was wir Menschen aus der Kiste in unserer Kistenhaftigkeit Natur nennen, schaffend oder geschaffen, gleichviel, unwichtig und am Ende Eins und zugleich Viel. So ist Natur immer Natur und nie Unnatur und hat, auch wenn es uns so scheint, keine Symbole zu bieten, nicht mal für nichts, sie ist einfach nur dieses unentwirrbare Gewirre, Vielheit (Deleuze und Guattari sprechen vom Rhizom), die wir westlichen Menschen lange, lange Zeitalter hindurch zu einem Da-Draußen machten und gleichzeitig uns vermeintlich untertan zu machen trachteten, bis wir sie endlich als ein Da-in-uns-Drinnen erkannten, auch wenn wir dies Drinnen fälschlicherweise als Psyche benannten, obwohl es doch Chaos ist … Chaos wie das Schreiben, Schreiben, Schreiben, das ich meine, auf die einzige im wahrsten Sinne des Wortes dem Menschen mögliche Art und Weise gebändigt, als ein Auf-dem-Seil-Tanzen des Menschen über dem Abgrund nämlich, allein dazu geeignet, um in sich die Natur seiner selbst zu überwinden (aber da haben sich ja Nietzsche und Kafka schon zu geäußert), wenn auch weder Brücke noch Seil (noch auch das Fliegen) Symbol ist, wie auch das Rhizom der Deleuze‘ und Guattaris eben kein Symbol für etwas ist, wie noch der Baum der Erkenntnis ein, ja das Symbol war. Wie schrieb Rainald Goetz noch, ich schlag das Buch jetzt einfach mal nach Goetzmanier auf und finde was, in Abfall für alle (S.323): „Am Gemüt. / Duldende Natur. / Unverzagt. / Immer Angst. / Terror machen. / So nicht. / Und so schon gar nicht. / Also vielleicht so? // now let the motherfucker rock“ … Das dazu.
Das ist ja (Wort dafür) ((wunderbar vielleicht?))!
Danke für diesen (Wort dafür) Artikel, den ich mir morgen unbedingt nochmal zu Gemüte führen will, und dann nämlich nicht als Ablenkung von etwas anderem, das ich eigentlich gerade dringend tun muss und jetzt auch tun werde. (Ihre (Wort dafür) Schreibe ist ansteckend. :-))
Ich hatte, liebe Iris, glaube ich, einfach Lust, frei mit der Erwartungshaltung möglicher Leser:innen zu agieren, ohne mich im Schreibfluß zu beschneiden. Übertreiben sollte man dieses (Wort dafür) dann aber natürlich doch nicht 😉