Alban Nikolai Herbst, vom Leiter des Internationalen Literaturfestivals Ulrich Schreiber süffisant als Nikolai Alban Herbst vorgestellt, worauf der Gemeinte lächelnd korrigierte in Alban Nikolai Herbst, bemerkte bei seiner Werkschau im Rahmen des Festivals am 9. September diesen Jahres 2018 im Literaturhaus Fasanenenstraße gleich mehrfach, man könne im eigenen Schreiben nicht mehr zurück hinter das gelesene Grandiose, er verwies unter anderem auf Alfred Döblins tatsächlich herausragenden Roman Wallenstein (1920). Stimmt das so Gesagte, was wohl jeder Schriftsteller und jede Schriftstellerin von Anspruch aus eigener Erfahrung weiß, so habe ich seit jeher, möchte man meinen, manche „Lektürefehler“ begangen (schließlich setzt man sich unter immensen Druck und programmiert sein Scheitern schon vor), zuletzt Hans Henny Jahnns Fluß ohne Ufer (1949/50) und nun dessen Perrudja (1929), zuvor E.T.A. Hoffmann, Jean Paul, Edgar Allan Poe, Stifter, Dostojewski, Kierkegaard, Kafka, Robert Walser, Döblin, Joyce, Beckett, Musil, Laxness, Hamsun, Bulgakow, O’Brien und so weiter (fürwahr alles Männer, aber wen wundert’s*). In jedem Fall müsste ich Schlag auf Fall mit dem Schreiben aufhören … hiermit, liebe verstreute Leserschaft, verkünde ich kraft meiner Wassersuppe … ach was! Michael Lentz schreibt: „Tradition ist, wenn man trotzdem weitermacht. Trotz Kafka, Schmidt und Robert Walser mache ich weiter. Thomas Mann hindert mich am Weiterschreiben nicht.“ Und auch das, was die bürgerliche Welt als Misserfolg klassifiziert, den nämlich (noch) nicht veröffentlichten Roman, als Beispiel möge Ankerlichten dienen, hindert wenigstens mich nicht, wiederum einige Jahre dem selbstquälerischen Schreiben zu widmen. Denn irgenwann begann es und irgendwann wird es enden, dazwischen liegt die Spanne, und in der ist dem eigenen Zwang und der eigenen Lust zu folgen, was auch immer daraus entsteht.
So weit und schlüssig, was mal wieder gesagt werden musste, denn da beißt die Maus kein‘ Faden ab.
* Anmerkung dazu, dass eben dies nicht verwunderlich ist, denn mündlich wurde mir einige Kritik an eben diesem Ausspruch mitgeteilt, so etwas könne man heutzutage nicht mehr sagen, wurde gesagt, was aber hieße, sage ich, die Wahrheit nicht mehr sagen zu dürfen, weil sich wer weiß wer gekränkt fühlen könnte, oder angegriffen, missachtet, herabgewürdigt, auf den Schlips getreten, was auch immer, was dann aber zu ähnlichen Auswüchsen von Dummheit führte wie im Falle der immer öfter ins Feld geführten religiösen Gefühle, auf die man besondere Rücksicht zu nehmen habe – als wenn Menschen, die nicht ausgerechnet an Götter glauben, sondern an die Kunst, die Anarchie, die Logik oder die Besonderheit ihres Fußballclubs oder einer Musikband, keine Gefühle hätten. Die Mimosesierung des Menschengeschlechts ist offensichtlich in vollem Gange! Ständig wird das Böse hinter allem vermutet, weil man ja nur selbst recht haben kann – liberales Denken und Handeln ist offenbar nicht mehr zeitgemäß! Ich gebe deswegen zu diesem meinem ganz wörtlich gemeinten Ausspruch zu bedenken: Es handelt sich bei den Genannten um ausschließlich bereits verstorbene Autoren, die in Zeiten wirkten, in welchen es Schriftstellerinnen nicht verwehrt, aber außerordentlich schwer gemacht wurde, zu veröffentlichen. Die Wahrscheinlichkeit veröffentlichter großer Werke von Frauen ist also relativ gering, die nicht veröffentlichter oder gar nicht erst geschriebener großer Werke umso größer. Da, wo ich als junger Mann zu suchen anfing, waren dementsprechend wenig Autorinnen zu finden, zudem ist mir Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, politische Einstellung und sexuelle Orientierung bei der Auswahl meiner Lektüre nie Kriterium gewesen – Texte aus welchen Gründen auch immer nicht lesen zu dürfen oder Texte lesen zu müssen habe ich seit je her abgelehnt, denn ohne Lust kein Lesen, keine Ewigkeit, kein Leben überhaupt! Warum mich nun aber Emily Brontë, Charlotte Brontë, Anna Seghers, Simone de Beauvoir oder Gertrude Stein weniger prägten, entzieht sich dementsprechend naturgemäß meiner Kenntnis. Interesse an Texten wird geweckt, indem Lust entsteht/Punkt/Aus.
Ihr Wort von der „Mimosesierung der Welt“ überführt Schillers „tintenklecksendes Jahrhundert“ in die Gegenwart. Glückwunsch zu Formulierung und Analyse und beste Grüße!
Ich hatte das Wort Mimosesierung nachgeschlagen, weil ich davon ausgehen musste, es selbst nicht erfunden haben zu können angesichts dieser unserer Gegenwart – aber denkste!
Beste Grüße!