Novemberbrief 2010

Der November lädt zum Dichten ein, das sollte man nutzen, denn der Dezember besteht dann wieder aus Glühwein, Weihnachtsgeschäft und Jahresrückblick allerorten.

Das fängt ja gut an! Nicht nur, daß Unsereiner mal wieder von Baulärm gepeinigt wird, der in den Prenzlauer Bergen nicht weniger unangenehm ist als anderswo, nein, im Hof wird auch noch der Sand ausgetauscht im Katzenklo, Entschuldigung, im Sandkasten. Da stehe ich also, eine Arbeitspause einlegend, auf dem Balkon, sehe die Arbeiter arbeiten, und was macht der eine? Er pinkelt, an der Rutsche stehend, hinein! Dann Sand drüber, merkt ja keiner, und weiter im Text. Arbeiter müßte man sein.

Von Westen, aus dem Westen, vom Westen her mag ja viel Gutes kommen, selten aber gutes Wetter! Nieselregnerischer Grauscheißwettertag! Im Wald spazierend ist das noch zu ertragen, oder am Meer, doch weder Wald noch Meer ziert die Prenzlauer Berge, Häusermeer und Schilderwald, das ja, und manches andere, doch jetzt ist alles grau und naß und unerträglich. Ganz Hartgesottene fressen natürlich schon Weihnachtsgebäck und schlürfen Glühwein, das X-Mas-Geschäft naht unaufhaltsam, und was daran mal innig gewesen sein mag, liegt jetzt unter Bergen von Weihnachtsmüll begraben, ja, und die netten Tiere im Stall zu Bethlehem gibt es auch nicht mehr, die werden durchs Land, ach, was sag ich, durch die Länder gekarrt, ermordet, zerhackt und ausgebeint und bis auf das Muh und Mäh verwertet, da verdienen sich die Tiermassenmörder goldene Eier mit, besonders auch zu Weihnachten, kann man wohl als christlich-pekuniär motiviertes Hinwegschlachten bezeichnen – aber wie komme ich jetzt darauf, ach ja, das Wetter.

Ambivalenz ist auch so ein Wort, das kann man benutzen, muß man aber nicht. Sagte ich schon, daß hier mal wieder Baustelle ist, und überhaupt ist ja Berlin nur ein anderes Wort dafür. Zweistimmiges Preßlufthämmern, nicht völlig unmusikalisch, das nicht, aber auch nicht bühnenreif. Muß man ertragen, und außerdem hat man ja auch Mitleid mit den Arbeitern, die den ganzen Tag … doch eigentlich, was heißt das schon? Mit den Zootieren habe ich ja auch Mitleid, ohne mich deswegen von ihnen auffressen lassen zu wollen. Ergo: Ruhe!!!!

„Der November lädt zum Dichten ein“ – ha! Das nehme ich zurück. Überall wird öffentliches Geld verprasst, indem man Arbeitergehege baut, auch Baustellen genannt. Und heute, am 11.11., in Berlin!, Sankt-Martins-Tag für Leute, die an Quatsch glauben, sperrt die Polizei zusätzlich noch ganze Straßen, damit Blaskapellen, Pferde, Mäntel, Kinder und Eltern sich zusammenrotten können. Fand ich schon als Kind sch…, heute würde ich einfach sagen: hat so ’ne negative Anmutungsästhetik, der ganze Aufmarsch. Und was ich auch nie verstanden habe: wieso kriegt der arme Bettler nur einen halben Mantel? Erklärt einem ja keiner. Am Ende bin ich aber selbst drauf gekommen. Ganz alleine.

So langsam gewöhnt man sich an die Luxusprobleme, finde ich. Kann ja nicht immer die Sonne scheinen, und Dinge gehen nun mal kaputt und nicht heile. Es ist eben alles eine Bewegung auf etwas zu („nicht wahr, Junge?“), ohne daß Gegensteuern auch nur irgendwie hülfe. Die einzige Möglichkeit, den November auszuhalten ist ohnehin, ständig ohne Grund Wow! zu sagen, allerdings immer nur einmal, sonst könnte es zu Verwechslungen kommen. Oder man freut sich auf Weihnachten, oder noch besser, auf die Attzwentzzeit, weil da alles so besinnlich ist und die Menschen so herzlich … Jetzt rede ich Quatsch, aber da bin ich ja wohl nicht der Einzige, oder?

Nichts Neues in den Prenzlauer Bergen? In der Tat, es geschieht nichts, und das ist auch gut so. Oder? Ich persönlich war ja in der letzten Zeit gelegentlich in den Kreuzbergen, das ist der nachbarliche Höhenzug, da ist auch nichts los. Soll Orte geben, da ist noch weniger … GEHTS NOCH SCHNARCHIGER, Amigos!!! Wird doch wohl zu machen sein, daß noch vor den 111. Berliner Filmfestspielen ein ordentliches WeltstadttheaterdonnerdasgibtsnurhierGetöse abgeht! Mönsch! Immerhin soll Weihnachten die U 2 wieder fahr’n – dolle, benutz ich eh nicht, dauert mir zu lange. Und Sylvester soll’s Raketen geben. Und Böller. Wow.

© und alle denkbaren Rechte weltweit und darüber hinaus bei Norbert W. Schlinkert 2010

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