Robert Walser schreibt in Der Räuber: „Eine Feder redet lieber etwas Unstatthaftes, als daß sie auch nur einen Moment lang ausruht. Vielleicht ist dies eines der Geheimnisse besserer Schriftstellerei, d. h., es muß eben ein Impulsives ins’s Schreiben hineinkommen.“ Dies paßt sicher zu Alban Nikolai Herbst‘ Weblog Die Dschungel wie die Faust aufs Auge. Auch Robert Walser (jede Zeit hat den Walser, den sie verdient) ist mit seinem nun weitgehend erschlossenen Werk so etwas wie ein einziger „Riesenroman“ gelungen, und man tastet sich als Leser staunend nach und nach ins Werk hinein, liest einiges mit Vergnügen noch einmal, begreift es neu und anders und so weiter. Ähnliches könnte auch für das Literarische Weblog gelten, wenn es denn funktionierte. Michael Lentz schreibt zu Robert Walsers Texten, sie wirkten oft so, „als befänden sie sich noch im Erprobungszustand, wobei sie immer ankündigten, gleich und endlich auf den Punkt zu kommen.“ (Textleben. S.309) Dem von Herbst gemeinten Literarischen Weblog scheint all das Angesprochene, also sowohl das impulsiv Hineingefeuerte als auch das Unfertige, welches erprobt werden muß, inhärent zu sein. Das ist natürlich kein Wunder und als solches nicht neu, denn zuerst einmal erscheint ja auch im Blog überwiegend Text, der nicht Muster machen, sondern gelesen werden soll.
Herbst schreibt in seiner Theorie, das Gros der Romanleser wolle den nachvollziehbaren Zusammenhang, doch eben den verweigere das Literarische Weblog zwischen den Polen radikal persönlichen Schreibens und dem des Suchens und Ausformulierens künstlerischer Objektivierung. (S.36) Ein neuer Leser (und ist nicht auch der „alte“ Leser von gestern immer ein neuer?) müsse es aushalten, „nie auf der Höhe der gegeneinander oft widersprüchlichen Publikationen zu sein“, man könne sich hier auch auf normative Aussagen niemals verlassen. (S.36f.) Nun, dies gilt auch für nahezu alle Texte Robert Walsers, der inzwischen (wieder) ein sozusagen ausgewähltes Lesepublikum hat, welches die scheinbar fehlende Kohärenz nicht nur aushalten kann, sondern sogar als anregend empfindet. Der Leser schreibt bei solcherart Literatur gleichsam mit, denn der Text ist bei Robert Walser (oder auch bei Samuel Beckett) keineswegs stillgelegt, wie Herbst in Bezug auf das Buch schreibt (S.37), denn das kommt auf die Art des Textes an und vor allem auch auf den Leser, der aktiv mitzutun hat, je mehr das Eindeutige fehlt. Die eigentliche Frage könnte also die sein, ob es für die Literaturform des Weblogs Leser gibt – und zwar nicht den idealen Leser, zu dem Herbst beim Verfassen jedweder poetischer Texte spricht (S.38) –, die sich einlassen wollen und können auf das ewig Unfertige und Erprobende. Ich denke, es gibt diese Leser, doch Legion werden sie nicht sein, vielleicht noch nicht, denn es wird auch eine nächste Generation von Lesern geben (müssen).