Hauptsatzstaccato – eine Klage

Liege ich richtig? Liege ich falsch? Meinem Eindruck nach jedenfalls werden viele literarische Texte heutigentags als eine Abfolge von Hauptsätzen gestaltet, eine Perlenkette vieler kleiner Wahrheiten, Gedanken, Sätze und Begebenheiten, bis der Roman eben voll ist. Der Hauptsatz, so ließe sich sagen, verzichtet auf seinen eigenen Kontext und wappnet sich zugleich gegen Zweifel – so ist es eben, so denkt oder fühlt diese Figur, so sieht es da eben aus, weiter im Text, Palaver unnötig. Zugegeben, ich selbst denke meine Gedanken keineswegs nacheinander, außerdem quatscht mir auch noch ständig jemand rein, den ich gut kenne und der mich zum Abwägen zwingt, zum Neuformulieren, zum Drumherumlaufen. Sollte ich da nicht am Ende froh sein, wenn mir der Schriftstellernachwuchs mal klar aufzeigt, wo es lang geht, denn immerhin hat eine nicht geringe Zahl der auf den Markt Drängenden das Schreiben studiert, das literarische ebenso wie gelegentlich und in Kombination damit das journalistische, wobei ich nicht umhin kann, das hauptsätzliche Schreiben dem journalistischen zuzuschreiben, denn da gehört es hin. Jetzt könnte ich ein paar Beispiele für diese Art von Romanen anbringen, doch vielleicht ist es besser, es nicht zu tun. Sicher ist sicher.

Der Text verliert sich nie in sich und wird nicht er selbst, der Text wird vom Autor nicht aus der Hand gegeben! Das ist mein Eindruck bei vielen der neuen Romane: die Sprache wird an der kurzen Leine geführt. Die Handlung fließt nicht, sie wird nur Takt für Takt auf der einen, vorhandenen Ebene erfüllt, irgendwer ist irgendwo und tut irgendetwas, das ist alles. Ich als Leser gucke darauf, sehe es mir an und verliere meist sehr schnell das Interesse an den Personen und der Situation, denn wo soll ich lesend mitgestalten, wenn alles so einfach ist, selbst wenn ich weiß, so einfach kann es nicht sein. Wenn also nicht die Sprache als solche mir einen Weg weist zu dem Nichtsoeinfachen, wie soll ich als Leser dann, das frage ich mich, dabei sein? Kein Mensch liest Drehbücher, alle wollen Filme. Kein Mensch liest Faktensammlungen, alle wollen Romane – dachte ich jedenfalls. Aber vielleicht bin ich auch nur aus der Zeit gefallen statt in sie hinein, vielleicht erwarte ich zu viel, vielleicht weiß ich zu viel. Ja, das wird es sein, ich weiß zu viel, ich kann mich nicht bescheiden. Mein Fehler!

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