Stellen Sie sich den menschlichen Verstand als ein Werkzeug vor. Würden Sie sagen, er sei eher ein scharfes Messer oder ein Quirl? Oder eine Kombination aus beidem? Ein Messerquirl, ein Quirlmesser. Ja, warum eigentlich nicht, denn wird nicht heutzutage kaum noch etwas hergestellt, das nicht wenigstens eine Zusatzfunktion hat, so daß sich der menschliche Verstand auf eben dies einstellen muß. Und nicht nur das. Der heutige Mensch sollte natürlich auch, um nur ein Beispiel zu nennen, noch dutzende von PINs im Kopf haben, also seine persönlichen Identifikationsnummern, er sollte komplexe Bewegungsabläufe wie im Schlaf beherrschen, sogenannte soziale Kompetenz haben und klare ethisch-moralische Vorstellungen, wie die Welt am besten funktionieren würde, ohne natürlich selbst Nachteile zu erleiden. Zudem muß er über Ernährung ebenso bescheid wissen wie über Kindererziehung, Burnout und Mobbing, angesagte Urlaubsorte und die eigenen sexuellen Vorlieben, von denen des Partners oder der Partnerin mal ganz zu schweigen. Doch das ist natürlich noch nicht einmal alles, denn allein der alltägliche Konsum verlangt zudem noch Geschmack und Markenbewußtsein, auf Grundlage der eigenen ethisch-moralischen Überzeugung und selbstredend der Ästhetik, ohne die nichts geht. Und für all dies ist dann auch noch Geld vonnöten, denn man kann sicher sein, daß ein in diesen Gefilden lebender Mensch, der nicht eine einzige PIN hat, arm ist wie eine Kirchenmaus. Sagte man nicht schon zu Urzeiten, jemand sei eine große Nummer? Je mehr Zahlen man im Kopf haben muß, desto wichtiger scheint man also zu sein, doch wahrscheinlich gilt das nur bis ins gehobene Mittelmaß, denn ab einem gewissen Vermögen kann man so einiges delegieren, nach allem, was man hört, und sich wieder auf das Eigentliche im Leben konzentrieren, nämlich das messerscharfe Sezieren der Wirklichkeit. Man kann es natürlich auch selbst und ganz allein probieren, doch das geht eigentlich immer schief – man bringt einfach alles durcheinander.
Gequirlter Scharfsinn
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