Ich rede fast täglich mit Menschen, die nicht mehr unter uns weilen, beziehungsweise weilen wir nicht unter denen. Das hat nichts zu tun mit Mystischem, sondern mit dem Lesen. Es gibt unterschiedliche Arten, mit Texten umzugehen, sie zu erleben, sie in sich aufzunehmen. Für mich ist Lesen Zwiesprache mit dem Autor oder der Autorin. Das stellt sich einfach so ein. Das Schöne daran ist, daß eine Gleichzeitigkeit entsteht. Die Hauptzwiesprache der letzten Zeit war die mit Robert Musil. Gestern las ich seine kleine Erzählung ‚Pension Nimmermehr‘. An einer Stelle schreibt er über eine Dame aus Wiesbaden, an die er sich nicht mehr recht erinnern kann: „Ich weiß nur noch, daß sie immer einen der Länge nach gestreiften Rock trug, so daß sie aussah wie ein großes Holzgatter, auf dem oben eine ungeplättete weiße Bluse hing.“ Da lachten wir, der Musil und ich. Die Dame lachte nicht.
Gesprächsweise
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