Kreuzbrav mit Tiefgang

Das literarische Schreiben an sich ist eine kreuzbrave Angelegenheit. Sollte man jedenfalls meinen. Auch sind die meisten Lesungen ja durchaus harmlose Veranstaltungen – man kann schon froh sein, wenn sich alle Jubeljahre mal ein Gast ordentlich echauffiert, der Dichter ausrastet und der Veranstalter alle rausschmeißt. Das passiert sehr selten, erstens weil der geneigte Zuhörer oder die geneigte Zuhörerin meist glaubt, es handele sich beim Schreiben um eben das, was man selbst ja auch kann, so daß der Künstler als nicht gar so fremdes Wesen wahrgenommen wird; zweitens ist die Literatur die einzige Kunst, bei der der Rezipient mittels der eigenen Vorstellungskraft einen recht großen Teil zum Gelingen beitragen muß, sich also auch mitverantwortlich fühlt – und wer rast schon gerne gegen sich selbst! Drittens wäre noch anzumerken, daß stille Wasser oft tief sind, so daß auch diese wenig aufsehenerregende Kunst ordentlich Tiefgang haben kann, bis hinein in alles, was überhaupt denkbar ist. Und das ist dann gar nicht mehr brav.

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