Über die Zeit

Wir leben nunmal, jedenfalls in Deutschland, in einer überkonsumistischen, überbürokratisierten, überüberwachten, übernormierten, überbeschleunigten, überinformierten und überbevölkerten Welt, die ganz und gar von skrupellosen Geschäftemachern bestimmt wird, die jede auch nur erdenkliche menschliche Schwäche auszunutzen wissen, um Profit zu machen und ihre Macht zu mehren. Dagegen ist die Kirche zu Luthers jungen Jahren ein Waisenknabe gewesen, aber hallo. Manchen erscheint George Orwells 1984 inzwischen ja sogar schon als das Buch, das die gute alte Zeit am besten beschreibt, selbst wenn es sie nie gegeben hat oder nur ein winziges Augenblickchen lang. Machen aber kann man gegen diese Entwicklung jedenfalls nichts, nur warten kann man auf die nächste Katastrophe, die nächste Wendung, nach der es eine Weile vielleicht ein wenig vernünftiger und menschlicher zugehen wird, nach der das Nehmen und das Geben womöglich eine zeitlang in einem gesunden Verhältnis steht. Vom alten Rom sagt man, es und seine Bürger hätten jahrhundertelang gar nicht bemerkt, daß das römische Reich untergegangen ist, und wer weiß, wann wir Europäer unseren Untergang bemerken und ob zum Beispiel die Anti-Raucher-Politik der Nazis tatsächlich noch überall und nicht nur in Bayern durchgesetzt wird, bevor am Ende fast alles egal ist, doch wahrscheinlich bleibt uns die Zeit noch, denke ich, und mir sowieso als einer dieser berüchtigten, absolut unvernetzten optimistischen Fatalisten, denn es geht ja nichts über das Gegenwärtige, ja ich wäre sogar dafür, die Übergegenwärtigkeit als die Lebensmaxime allen Menschen oder wenigstens allen Überdrüssigen schmackhaft zu machen, weil man nur so die Katastrophe immer schön vor Augen hat – denn wer sehen kann, der sehe.

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