Zugführer an der Spitze vom ICE [ITZE]

Vor einigen Tagen, die Welt weiß schon darum, fuhr ich im ICE von Dortmund nach Berlin. Wie immer schlug ich mein Lager im Eingangsbereich eines Waggons auf, weit vorne oder weit hinten, denn nur dort in einem solchen Eingangsbereich hat man Platz und kann die Beine ausstrecken, ist gefeit vor den komischen Menschen in den Großraumwagen, wo mir überdies auch die Farbgebung der Sitze nicht gefällt. Außerdem wird man bei Sommerwetter in diesen Großraumwagen, was für ein Wort, gleich mal schockgefrostet, und will man am Fenster sitzen, muß man jedesmal den Nachbarn, einen wildfremden Menschen, wenn man denn alleine reist, aufscheuchen, und ich stehe oft auf, wo war ich?, ach ja, jedenfalls saß ich da auf meinem Koffer und die Durchsagen gingen los. Wer Zug fährt, der weiß, das ist nicht selten die reinste Ohrenfolter, Lesen unmöglich (ich las immer noch und mit wachsender Begeisterung Alban Nikolai Herbst‘ Meere), doch dieses Mal, welch wirkliche Überraschung, drang das zu Sagende melodiös und damit sehr angenehm aus den Lautsprechern, und selbst die Durchsage in Englisch war anhörenswert. Als dann schließlich, um es kurz zu machen, der Ansagenmensch schaffnernd durch den Zug ging und auch bei mir vorbeikam, erkannte ich, daß er unzweifelhaft türkischer Herkunft war und das Melodische ganz allgemein in der Stimme hatte, wie es sich selbst dann immer zeigte, wenn er bei mir um die Ecke per Telefon Kontakt mit der Zugspitze aufnahm, wobei er dann ein „Hallo mein Zugführer“ in den Hörer flötete. Kein Wunder also, daß wir pünktlich und in bester Laune in Berlin ankamen.

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2 Antworten auf Zugführer an der Spitze vom ICE [ITZE]

  1. derdilettant sagt:

    Hurra! Es gibt sie also noch: Menschen die gerne mit der Bahn fahren und sogar darüber schreiben. Mögen mit Ihrem Artikel die unseligen Zeiten des Bahnbashings endgültig begraben sein. Vielleicht tritt unser Staatsbetrieb (ja sowas gibts noch) dann auch wieder selbstbewußter auf und entschuldigt sich nicht devot für jedes Minütchen unplanmäßigen Haltens auf offener Strecke.

  2. Naja, man muß schon seine eigenen Strategien haben und vor allem Glück mit dem Personal, und dann könnte man gerne Bahnfahren können, keine Frage. Doch diese Sitzbezüge in blau gehen gar nicht!

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