Die Kunst des Sichentbehrlichmachens

Es sieht so aus, als sei es mir endlich gelungen, mich allerorten entbehrlich zu machen. Das war nicht einfach, ich habe aber auch Glück gehabt, zum Beispiel bin ich im Laufe der Zeit älter geworden und habe mich auch nach und nach überqualifiziert.

Dazu kommt, daß es mich nach wie vor auch in Bereiche treibt, die für schwierig gelten. Beispiel dafür ist die Beschäftigung mit der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, in der nicht selten umständliche Beschreibungen länglicher Art zu finden sind.

Wer mich kennt weiß, ich mißtraue jeder Art Ideologie. Ich möchte auch nicht in einer Partei sein, nicht in einer Gewerkschaft und auch in keinem Verein. Mir gefällt nicht, daß ich in solchen Organisationen gezwungen sein könnte, mich einer allgemeinen Ansicht anzuschließen. So einer wie ich ist also, der allgemeinen Ansicht nach, ein Spalter.

Es gibt die Ansicht, ich wolle immer alles besonders gut machen. Das ist für Pragmatiker oft verletzend, denn schließlich kommen die mit ihrer Art gut voran, woraus sie schließen, daß ich nichts kann außer dieses Besondersgutmachenwollen, das man aber eben nirgends gebrauchen kann, denn sie selbst kommen ja gut weiter mit ihrer Art. Beweis genug.

Es löst nicht selten Verwirrung aus, wenn ich sage, ich brauche nur genau das Geld, das ich eben brauche. Ich gelte also auch in diesem Punkt für unvernünftig, denn man muß doch über die Gegenwart hinaussehen, um sich auch mal was leisten zu können. Jemand, der so denkt, will aber weder etwas – noch sich etwas leisten. So einen können wir nicht gebrauchen. Soll der doch Romane schreiben, wenn er sonst schon nichts kann.

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4 Antworten auf Die Kunst des Sichentbehrlichmachens

  1. derdilettant sagt:

    Da kann man nur hoffen, dass Sie die Kunst nicht so weit perfektionieren, dass Sie der Welt abhanden kommen. Das klingt bei Gustav Mahler zwar sehr schön, ist aber, glaube ich, nicht wirklich zu empfehlen. (Ich glaube auch, bei ihm klingt’s nur deswegen schön, weil er selber ja der Welt mitnichten abhanden zu kommen drohte, sondern als Kakanischer Hofoperndirektor mit beiden Beinen fest in selbiger verwurzelt war) Das anhaltende Romanschreiben birgt womöglich die Gefahr, in selbigem zu verschwinden, wie einst der chinesische Maler, der sich in sein Bild hineinmalte und forthin nur mehr dort existierte. Das wollen wir doch nicht hoffen!

  2. Das anhaltende Romanschreiben bzw. die Romanüberarbeitung birgt allerdings einige Gefahren, auch wenn ich in meinem Text nur als Nebenfigur erscheine und so wohl nicht in demselben verschwinden werde – hoffe ich jedenfalls. Das Schreiben von Romanen kann ich allgemein jedenfalls nicht empfehlen, das sollte man nur machen, wenn man unbedingt muß, wenn man sich gar nicht gegen sich selbst zu wehren vermag. Eine Sauarbeit! Bin froh, wenn ich bald durch bin (wiewohl ich ihn ja dann doch noch einmal lesen muß), und dann kann man mir auch gerne eine Stelle als kakanischer Hofdichter anbieten!

  3. derdilettant sagt:

    Kakanien ist ja inzwischen untergegangen (obwohl mein Großonkel seinerzeit in Galizien gegen die Russen kämpfte), aber ich bin tatsächlich der Meinung, dass der Staat Dichter anstellen und ihnen so die materiell sorgenfreie Arbeit an Werken der Dichtkunst ermöglichen sollte. Die bürgerliche Auffassung von Kunst unterstellt zwar die Geburt derselben aus dem Leiden des Künstlers heraus, aber das Leiden muss ja nicht materieller Art sein. Prekariosen anderer Art gibt es wahrlich genug. Allerdings würden Sie dann ja gewissermaßen einer abhängig geregelten Beschäftigung nachgehen, was vielleicht nicht in Ihrem Sinn wäre. Aber mal davon abgesehen: ich bewundere Menschen, die, von einer Leidenschaft getrieben, tun was sie tun müssen. Viel Glück mit dem Roman!

  4. Ob Kakanien wirklich ganz untergegangen ist? Da scheiden sich die Geister, wie mir scheint.
    Was den Durchfluß von Geldmitteln durch des Künstlers Leib und Seele betrifft, so will ja kein Künstler etwas geschenkt haben, muß sich aber die Fähigkeit erarbeiten, trotzdem etwas anzunehmen, ohne sich deswegen zu matern. Am besten wäre wahrscheinlich die Einführung des sogenannten bedingungslosen Grundeinkommens, denn dann nähme man sehr vielen Menschen die Existenzängste und könnte zudem die Bürokratie verschlanken. Künstler und andere Getriebene würden davon wohl leben können, und leiden tut man ja schon genug an seinen Projekten und den im Untergrund lauernden Versagensängsten. Und dann, Danke!, braucht man natürlich sowieso Glück. Wer hingegen Urlaub, schicke Klamotten und was weiß ich an „normalem“ Leben will, muß eben weiter normal arbeiten, so wie jetzt auch. Aber die Lösung wäre dann doch zu einfach für unsere komplizierte Welt – leider.

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