Was so ein seidener Faden alles aushalten muß! Mannomann! Meiner ist nicht nur vollbehängt, nein, ich erdrossele damit auch Leute, die noch mehr Gewicht an den Faden hängen wollen, damit er, das hätten die gerne, so bald wie möglich reißt. Klassischer Fall von Notwehr, würde ich mal sagen. Ähnliches gilt auch für die Sache mit Messers Schneide, auf der alles steht, denn auch ein Messer eignet sich prima für Leute, die mich aus dem Gleichgewicht bringen wollen, auf daß ich abstürze wie Nietzsches Seiltänzer. Aber bevor sich jemand aufregt: ist natürlich alles nur metaphorisch und sinnbildlich gemeint, was sich allein schon aus der Notwendigkeit ergibt, seine Kräfte sinnvoll einzusetzen, also eben auch nicht alles selbst wirklich zu tun, sondern tun zu lassen, indem man nämlich eine Geschichte erfindet, die durchaus mit einem seidenen Faden beginnen könnte, um sie dann laufen zu lassen. So ähnlich muß sich Gott gefühlt haben, als er die Idee des Menschen wachsen ließ, denn wenn eines klar ist: Gott war Schriftsteller, und zwar der erste aller Schriftsteller, er hat den ältesten Beruf der Welt ausgeübt, hat zeugen und leben und töten, Fäden spinnen und reißen lassen, er hat sich all das ausgedacht und es dann, ganz modern schon, seinen Lesern überlassen, die Geschichten zu beleben und weiterzuspinnen. Welten schaffen, darum geht’s, und obgleich ich noch darum ringe, der Welt und den Lesern den eben erst abgeschlossenen Roman übergeben zu können, wächst schon eine neue Geschichte in mir heran, mit seidenen Fäden, mit Menschen und dem ganzen Zeug, das sich daraus ergibt. Aber warum erfinden manche Menschen, so auch ich, neue Welten? Vielleicht weil sie mit der, die ist wie sie ist, nicht glücklich sind? Kann schon sein, glaube ich aber eigentlich nicht. Dieser Zwang kommt ganz woanders her, und ich denke, ich setzte einfach mal einen Protagonisten darauf an, der dieser Frage nachgeht. Bin jetzt schon ganz gespannt, was dabei rauskommt.
Der älteste Beruf der Welt
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