Stockende Gerinnung

Was mich zur Zeit umtreibt, gerinnt mir nicht zu Sprache. Oder nur, wie hier, zur einfachen Feststellung des Umstandes selbst. Mit Sprache meine ich die mir eigene literarische. Warum das so ist, ist mir, naturgemäß, schleierhaft. Was die Reaktionen auf mein Schreiben angeht, darüber denke ich nach als eine mögliche Ursache – so war die letzten Monate alles dabei, würde ich mal sagen, Beschimpfungen und auch Belobigungen von Laien ebenso wie kritische Anerkennung meiner Arbeit durch Fachleute, wenngleich alles zusammen genommen für den Moment noch nichts Faktisches zeitigt. Geduld ist gefragt. Arbeit. Interessant dieses Bild: meine Arbeit stockt, weil das mich Umtreibende mir nicht zu Sprache gerinnt. Die direkteste Antwort auf die Frage nach dem Warum ist mir allerdings die, nach Jahren der konkreten Arbeit an meinem Roman nun zunächst dessen Veröffentlichung zu brauchen, schlicht der Wertschätzung wegen, um frei wieder arbeiten zu können, auch an ganz und gar anderen Texten. „Nimm dich wichtiger“, sagte mir mal jemand, „schreib über Dich, nur das wollen die Menschen lesen, die großen Würfe sind literarisch doch ohnehin längst getan.“ Ich weiß nicht mehr, was ich genau antwortete, so etwas wie daß der Schriftsteller alle Wirklichkeit nimmt und sie neu zusammensetzt, aber ich weiß, wie mir diese Ansicht querging, daß nämlich alles Große bereits getan ist und wir alle nur Epigonen seien, denn wenn das stimmte, wäre dann die ganze literarische Arbeit denn nicht nur Dienstleistung? Ein Produkt wie andere auch? Ja, das wäre sicher so, aber allein der Umstand, sich eben dem zu erwehren, ist zusätzlicher Grund genug, zu schreiben. Doch noch stockt mir die Gerinnung und nichts wird mir fließend, wenngleich ein schräges Bild aus Worten schon einmal ein Anfang ist.

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3 Antworten auf Stockende Gerinnung

  1. Die Geschichten unter der fadenscheinigen Wirklichkeit! Ich las grad dies hier, eben dort eingestellt, und ja, darum geht es.

  2. Iris sagt:

    Toller Text da drüben. Wie überhaupt alle Löwinnentexte. Für mich. Absolut inspirierend.
    Aber zu Ihren Überlegungen: Mir kam dazu spontan das Bild angemessener Kleidung. Nicht dem Anlass bzw. der Konvention angemessen, was ja dann in Wirklichkeit angepasst wäre. Sondern schlicht den Witterungsverhältnissen und der Temperatur angemessen. Nie käme ich auf die Idee, mich bei 30 Grad Celsius in einen Wintermantel zu hüllen, weder in einen edlen noch in einen lumpenartigen. Und bei Minusgraden würde ich nicht barfuß im dünnen Kleid herumlaufen. Ist es nicht das, was die „Güte“ (im Sinne von wahr, gut, schön in Einheit) von Texten ausmacht: Wenn sie der Temperatur, auch oder vor allem der inneren, angemessen sind? Die der Löwin sind es, ganz und gar (wieder: für mich, für niemanden sonst kann ich sprechen), das macht sie so intensiv und überzeugend, so körperlich spürbar.

    Wie gesagt, spontan assoziiert, mehr nicht, auch für mich grade ein neuer Gedanke, der mit der Temperatur. Aber er gefällt mir, den will ich noch ein wenig verfolgen.

    Und vielleicht ist auch dieses schreiberische Lavieren ein sehr genauer Ausdruck eines nunmal ungenauen Zustands …

  3. Womöglich geht es beim Schaffen von … ja immer um Temperaturschwankungen und -unterschiede, Temperatur im weiteren, von Ihnen gemeinten Sinne selbstredend. Manchesmal kann ich eiskalt über zuvor Glühendheißes schreiben, manchmal auch halbinspiriert darüber, grad nicht schreiben zu können, wobei solch ein Text natürlich meinen Maßstäben auch vollständig genügen muß, wie übrigens auch die von manchen als Lamento angesehenen Texte von vor einer Weile. Allerdings, und das würde nicht zu Ihrer Assoziation passen, sind manche meiner Texte (für mich) ganz und gar dem „eigentlichen“ Inhalt unangemessen, weil ich Harmonie vermeiden muß, denn das wäre so, als schriebe ich weiß auf weiß. (Mmh, ich muß da auch mal weiter drüber nachdenken.)

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