Träschsch ist ein alter Text, ein Extrakt aus Der Bildermacher, begonnen 1996 und seitdem in Arbeit, in progress. Ganz anders etwa als Stadt, Angst, Schweigen ist Träschsch aber kein „Fließtext“ wie eben jener, sondern ein gleichsam atemloser, ein in unruhigem Wechsel rhythmisierter Text, ein Gebilde mit Brüchen und Rissen, ein Ich, das schreibt.
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Ich erinnere mich: Ich fand mich wieder in völliger Dunkelheit, frierend und nackt. Doch ich greife vor. Seltsamer Ausdruck: ich fand mich wieder. Zuvor aber hatte ich mich tatsächlich verloren, im Bewusstlosen, sozusagen. Denke ich. Ich komme also zu Bewusstsein und finde mich, zweifellos, denke ich, also wieder – in neuer Zeit? Später? Früher? Am selben Ort? Ich sammle meine Gedanken. Ich stelle mich darauf ein, zu handeln. Die Zeit der Bewusstlosigkeit verrann ohne mich. Zeit- und Bewusstlosigkeit also. Doch ich greife vor.
Ich gehe auf und ab, ohne das Sprechen zu unterbrechen, aber das ist ja deutlich zu hören, nicht wahr! Ich spreche und betrachtete dabei die Einzelheiten meines Zimmers, die Wände, die Decke, das Fenster, das leere Fensterbrett, noch einmal Tisch, Stühle und Regal, beginne dann im Kreis zu gehen, möglichst nah an der Wand, einmal links, einmal rechts herum. Es hat durchaus kein System, im Kreis, links herum und rechts herum zu gehen, möglichst nah an der Wand. Ich gehe und spreche. Ich gebe präzise meine Gedanken wieder, verschweige nichts, denke gleichzeitig weiter, bin mir also selbst voraus. Bin ich? Ich warte auf Anna. Hier an diesem Ort. Warten. Ich warte also, denke nach, schreibe oder spreche, hier und jetzt. Absurd. Gefährlich.
Ich komme zu mir, abermals, nein: vormals, ich liege mit dem Gesicht nach unten im kalten Dreck. Mein Rückgrat ist eiskalt, wie gefroren. In meinem Mund ist Dreck, in meiner Nase ist Dreck. Ich bekomme kaum Luft. Ich werde gepackt und auf den Rücken gedreht. Eine Frau steht über mir. Es scheint Emma zu sein. Du bist belesen, nicht wahr, sagt sie. So sagt man doch: belesen? Ich versuche den Kopf zu bewegen. Emma kommt näher, betrachtet mich, bückt sich und schiebt mir einen Strohhalm in jedes Nasenloch, ganz vorsichtig, und zwei weitere in den Mund. Ich will schreien, kann aber nicht. Sie greift in den kalten Dreck und beginnt langsam, mein Gesicht damit zu bedecken. Bist auf der Suche, nicht wahr? Ruhig atmen! Ich könnte dich zu einem Stumpf auf Sägemehl machen, doch jetzt liegst du im kalten Dreck. Atme ruhig! Ich bin Emma, du kennst mich. Ich gestatte dir, mich zu benutzen. Ich entkleide mich. Schließe nicht die Augen. Schau zu. Schau auf meinen Unterleib, er ist willig. Schau hin, atme ruhig. Schau auf meine Schamlippen. Schau höher. Schließe nicht die Augen. Sieh nur. Die Brustwarzen werden hart wie Glas, und eine Flüssigkeit tropft aus meiner Vagina auf deinen Bauch und deinen Penis. Er richtet sich auf. Atme so ruhig wie möglich. Beweg dich nicht. Schließe nicht die Augen. Du suchst Anna. Ich helfe dir. Ich bin dabei, dir zu helfen, ich hocke mich auf dich. Ruhig! Atme ruhig. Spürst du deinen Penis in meiner heißen Vagina. Du bist dem Erfrieren nahe. Denkst Du. Ha! Du fragst dich, ob du ersticken oder erfrieren wirst. Ich sehe es deinen Augen an. Es gibt nur eine Stelle deines Körpers, die lebt. Ich spüre sie. Doch du benutzt mich, nicht ich dich. Denk daran. Ich bewege mich rhythmisch. Das ist schön, es gefällt mir. Es gefällt mir auch, dir helfen zu können bei deiner Suche nach Anna. Schließe nicht die Augen, atme ruhig. Auch ich atme ruhig und tief. Ich bewege mich. Jetzt beginnt mein Atem, sich zu beschleunigen. Es tut gut, benutzt zu werden. Mein Unterleib glüht. Denke jetzt nicht an Anna, ich warne dich, schließe nicht die Augen. Spürst du, wie ich komme, langsam, ganz langsam? Auch du wirst kommen, ich spüre es. Atme ruhig, verschluck dich nicht. Ich beiße in deine Brustwarzen. Das gefällt Dir, nicht wahr? Spürst du, wie erregt ich bin? Es fällt mir schwer zu sprechen. Du benutzt mich und ich lasse es zu. Bleib ruhig. Gleich wird es so weit sein. Ich brenne. Ich will dich küssen. Ich suche mit meiner Zunge die deine im Schlamm deines Mundes. Verschluck dich nicht. Atme ruhig. Dein Penis ist dem Bersten nahe, spürst du es? Noch einmal will ich deine Zunge spüren. Schlamm aus deinem Mund. Ich komme gleich. Auch du wirst gleich kommen. Ich habe Dreck im Mund. Ich nehme einen Strohhalm aus einem der Nasenlöcher und schließe es mit dem Schlamm, den ich aus deinem Munde nehme. Ruhig, ganz ruhig, gleich wirst du kommen, wir kommen zugleich. Spürst du meine Hitze? Ich spüre, die Woge schwillt an, auch du kommst, ja, ich spüre es. Ein letztes Mal suche ich deine Zunge, nehme Dreck aus deinem Mund in den meinen, ich komme, dann schließe ich das zweite Nasenloch, ja, das tue ich, bleib ruhig, ich verglühe – mein Mund auf deinem.
In völliger Dunkelheit. Nackt. Frierend. Ich stehe sofort auf und gehe unverzüglich hinunter ins Wohnzimmer. Die Türen der Kommode stehen auf, die Sitzpolster von Sofa und Sesseln aufgeschnitten, die Füllungen quellen heraus. Die Teppiche umgedreht und kreuz und quer. In Annas Zimmer ein ähnliches Bild. Das Badezimmer steht unter Wasser. Ich gehe hoch in mein Zimmer. Der Computer fehlt. Das Fenster steht auf. Ich sehe zum Waldrand, ein tiefdunkler Streifen nur im Dunkel. Eben verschwindet ein Reh in den Wald hinein, stelle ich mir vor. Ich blicke in den Garten hinunter: das Bauzaunquadrat nackt und leer. Der Text an den Wänden: verschwunden. Ich will schreien, kann aber nicht.