Träschsch ist ein alter Text, ein Extrakt aus Der Bildermacher, begonnen 1996 und seitdem in Arbeit, in progress. Ganz anders etwa als Stadt, Angst, Schweigen ist Träschsch aber kein „Fließtext“ wie eben jener, sondern ein gleichsam atemloser, ein in unruhigem Wechsel rhythmisierter Text, ein Gebilde mit Brüchen und Rissen, ein Ich, das schreibt.
***
Anna lacht, ich weiß nicht warum. Ich erzählte ihr, während sie sich die Fußnägel lackierte, von einem Text zum Straßenbahn- und Laternenwesen, an dem ich schreibe. Ein lautpoetischer Text, sage ich. Sie wisse nicht, was das bedeuten soll, sagt sie, Lautpoesie kenne sie nicht. Lautpoetik, sage ich. Sie schweigt. Es geht um Arthur, Anna und Emma. Emma ist erfunden, das gebe ich zu, sage ich, sie tauchte einfach auf, sie war einfach da, ich musste sie nicht suchen. Wegzumachen war sie dann allerdings auch nicht mehr. Emma. Anna pustet ihre Zehen an. Pfhhhh, pfhhhh, pfhhhh …
Erinnerung friert ein. Ich friere ein. Ich versuche zu rufen. Anna! Emma! Mein Kopf ist schwer. Eisblock im Schädel. Mit Schals auf einem Stuhl festgebunden. Versuche sie zu zählen. Drei oder sieben. Müssten sieben sein. Ich kann sie nicht zählen. Es ist nicht von Belang. Nicht mehr. Wäre ich nicht mehr festgebunden, ich könnte es trotzdem nicht, mich bewegen, meine ich. Ich habe den Mund einen Spalt geöffnet, da ich durch die Nase keine Luft mehr bekomme. Bald lässt sich auch der Unterkiefer nicht mehr bewegen. Wäre der Mund dann geschlossen, so müsste ich ersticken. Tod durch Ersticken. Ich wäre erstickt, bevor ich erfroren wäre. So bleibt mir noch Zeit. Die Luft läuft flach und gleichmäßig wie kochendes Wasser in meine Lunge. Es kostet all meine Kraft, sie wieder auszuatmen. Der Boden ist gefroren. Es bleiben keine Spuren. Nur so ein Gedanke. Keine Spuren von Gewalt. Die Schals hängen locker, glaube ich. Wer immer sie gebunden und gelöst hat, wird keine Spuren hinterlassen. Auch keine Spuren an den Gelenken. Selbstmord durch Auf-dem-Stuhl-Sitzen, wird es heißen. In nacktem Zustand. Bei eisiger Kälte. Die Lebensgefährtin fand ihn. Ich nehme all meine Kraft, die mir noch bleibt zusammen und mache einen Versuch aufzustehen. Die Beinmuskulatur spannt sich schmerzhaft, auch die Lunge schmerzt, die Brust, sonst bin ich taub. Habe ich mich bewegt? Der Stuhl hat sich ein wenig bewegt, glaube ich. Ich sitze. Ich sitze weiterhin auf diesem Stuhl. Die Kräfte, die letzten Kräfte, verlassen mich. Meine Augäpfel werden unbeweglich, nach und nach. Ich blicke auf meine Füße. Der Versuch des Aufstehens hat dazu geführt, sehe ich, dass, bis auf die beiden kleinen, alle Zehen abgebrochen sind. Sie liegen da. Ich starre sie an. Wie Spielfiguren für ein seltsames Spiel. Ich starre auf meine Zehen. Die Augäpfel sind unbeweglich. Ich versuche mir vorzustellen, wie mein Blut unermüdlich durch meinen Körper gepumpt wird. Trotz allem. Mein Gehirn wird noch erreicht. Ich benötige Sauerstoff. Ich atme glühende Luft. Ich sehe mich. Ich stehe vor mir und blicke mich an. Es reicht nicht. Ich starre mich an. Ich versuche tiefer zu atmen. Ein ungeheurer Riss durchzieht meinen Körper. Mein Rumpf scheint nur noch Lunge zu sein. Sieht so das Ende aus, frage ich mich noch – ich stehe vor meiner eigenen Leiche und starre mich an?