Dritter Zwischenbericht Amphitryon-Roman oder: der Punkt ohne Namen

Natürlich muss man als Autor eines Romans Opfer bringen, was denken Sie denn? Jeder Beruf fordert seine Opfer, mal ist es die Jugend, die geopfert sein will, die Gesundheit, das eigenständige Denkvermögen, die sogenannten besten Jahre, oftmals all dies zusammen – oder auch, am schlimmsten, die eigene, persönliche Freiheit. Letztgenanntes nicht in dem schlichten Sinne natürlich, wie es unser Bundespräsident Joachim Gauck versteht, mitnichten, sondern in einem umfassenderen. Nicht nur, sehr vereinfacht gesagt, Freiheit von, sondern auch Freiheit für. Beides also, und zwar in einer Weise, die man sich weder schenken noch gewähren noch befehlen lassen kann, sondern sich nehmen muss. Aber ich will niemanden überfordern, so ein schöner Glaube an Was-auch-immer (Gott, das Gute, das Schöne, die Demokratie, die Popmusik, gesundes Essen usw.) geht natürlich auch, ich wünsche viel Freude dabei. Doch das soll nicht mein Thema sein, sondern das Gestalten des Lebens durch die ebenso faszinierende wie schrecklichfürchterliche Angelegenheit des Schreibens von Literatur, also des stimmigen Erfindens von Welten, die die LeserInnen lesend mitgestalten, um geistestätig in ihr zu leben. Warum schreibt ein Mensch also Geschichten? Meine Antwort: ich sitze hier und kann nicht anders. Eine andere: ich kann nichts anderes. Eine weitere: es gewährt mir eine Wahl zwischen der mir zugehörigen sogenannten realen Welt und einer von mir gestalteten. Und: das literarische Schreiben braucht als seine Grundlage das Handwerk des Schreibens; auch das Handwerkliche im eigentlichen Sinne des Begriffs ist dem Menschen etwas Grundsätzliches. – Mein Roman, danke der Nachfrage, geht übrigens recht gut voran, was sich allein daran ablesen lässt, dass dieser bestimmte Punkt überschritten ist, der meines Wissens nach keinen Namen hat, sich aber dadurch zeigt, dass ein Weiterschreiben ab diesem nun nicht mehr möglich ist, nachdem man den bereits geschriebenen Text noch einmal gelesen hat. Spätestens hier sind alle poetischen Ichs autonom, müssen es sein, und der Autor ist ein Getriebener, der in seiner Welt rastlos tätig zu sein hat, immer in Konflikte verwickelt, immer zweifelnd und immer sein Bestes gebend. Man könnte auch sagen, dass das Schreiben von Literatur so etwas wie gelebter Glaube ist, der aber nicht von außen, sondern aus dem Innen kommt. Dazu ein Zitat, mit dem ich meinen kleinen Beitrag beenden möchte:

„Die Fantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in die Metempsychose [Reinkarnation] zu uns. Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unsers Geistes kennen wir nicht. – Nach Innen geht der geheimnißvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich. Jetzt scheint es uns freylich innerlich so dunkel, einsam, gestaltlos, aber wie ganz anders wird es uns dünken, wenn diese Verfinsterung vorbey, und der Schattenkörper hinweggerückt ist. Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt.“ (Novalis: Blüthenstaub. Nr.16.)

 >>> Zweiter Zwischenbericht Amphitryon-Roman

>>> Erster Zwischenbericht Amphitryon-Roman

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