Nix zu Corona. Oder: Der einzig mögliche schöne Tod

Irgendwo habe ich gelesen, ausgerechnet in der Corona-Krise sei von den Intellektuellen nichts mehr zu hören. Abgesehen davon, dass in Deutschland der Begriff Intellektueller imgrunde immer pejorativ benutzt wird, wir sind und bleiben eben ein Volk von Bauern und Angestellten, kann der Intellektuelle, selbst wenn er oder sie wollte, nichts sagen zum Corona-Virus, zur Pandemie, zu den Quer-„Denkern“ und so weiter. Ihm oder ihr fällt dazu schlicht nichts ein, außer vielleicht die in üblichen akademischen Mustern verorteten Auslotungen und historischen Vergleiche, denen aber kaum mehr geschenkt werden dürfte als ein halbwegs aufmerksames Aha. Soso. Jaja. Naja. Ochjo. Eine wirklich durchdachte Äußerung zum Thema Covid-19 bedarf nämlich tatsächlich vieler Jahre der Vorbereitung und der Ausführung, wobei sich die Frage stellt, ob sie noch vor dem Ende dieser unserer Kultur überhaupt getätigt werden könnte und ob dann überhaupt noch jemand da ist, der solch eine Äußerung überhaupt verstünde. So weit ich mich erinnere, ich werde den Teufel tun und nachsehen, habe ich bereits in meiner ersten kleinen Veröffentlichung, story banal (1998), die Vermutung geäußert, es gehe mit der Menschheit womöglich bergab, sobald nur die Anzahl der lebenden Menschen die der bereits verstorbenen Menschen übersteigt, was eben in dieser unserer Epoche der Fall ist. Dies wäre ein Fall wahrhaft kosmischen Humors, keine Frage. Ich persönlich bleibe allerdings bei meiner Haltung des Optimistischen Fatalismus (siehe dazu meinen erzählenden Essay Tauge/Nichts), denke aber trotzdem, dass der Planet nur noch zu retten sein wird durch ein schönes neues Virus, welches die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschengeschlechts ganz sanft auslöscht, sodass in verhältnismäßig kurzer Zeit die Erde in all ihrer Schönheit zwar weiter Runden im Weltall dreht, garniemand aber es wissen noch dies oder jenes oder alles schön finden kann. Hört sich an wie Zweckoptimismus, ist aber der einzig mögliche schöne Tod. Bis dahin allerdings ist noch einiges zu ertragen, auch im ganz und gar Klitzekleinen: Da regt sich doch beispielsweise jemand aus der Hochkultur, so las ich irgendwo, allen Ernstes darüber auf, dass die Kunst im Rahmen der Corona-Bestimmungen in einem Atemzug genannt wird mit der Prostitution – als wenn dies nicht der allerbeste Beweis dafür wäre, dass wir alle Menschen sind und alle gleich im Angesicht des Todes. Ich selbst kann über solch Etepetete-Äußerungen der Hochkulturbetreiber nur lachen, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich als Ängehöriger des katholischen Kleinbürgertums sowohl bildungs- wie kulturfern aufwuchs und sicher niemals das Ziel hatte, ins protestantische Großbürgertum aufgenommen noch von denen beklatscht zu werden, weswegen mir auch eine gewerbliche Ausübung meiner Kunst nie in den Sinn kam und ich auch nur Geld dafür annehme unter der Voraussetzung, durchaus keine Leistung erbracht zu haben im Sinne der protestantischen Arbeitsethik. Aber das ist fast schon ein anderes Thema, mit dem ich diesen kleinen Beitrag vielleicht hätte beginnen sollen, aber dafür ist es ja nun zu spät, wirklich und wahrhaftig zu spät.

Aussichten. Norbert W. Schlinkert

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