Wenn es denn ein Symptom ist, dass nur die Möglichkeit einer sofortigen Veröffentlichung, und sei es auch hier, mich dazu ertüchtigt, überhaupt etwas zu verfassen, so frage ich mich, wo das Etwas, auf das das Symptom verweist, sich zeigen mag. Denn in der Tat tönt über allem was ich ansonsten schreibe ein unartikulierter Schrei, der nichts weiter bedeutet, als dass der Text sich nicht wird veröffentlichen lassen. Also breche ich ab, verwerfe, schreibe nichts. Und warum sollte ich auch? Die Klage, es gäbe zu wenige Leser und zu viele Schriftsteller wird mit jedem Tag gehaltvoller, ja irgendwann in nicht allzuferner Zukunft wird das Verhältnis sich umgekehrt haben. Die Zeiten, in denen nur derjenige schrieb, der sich berufen fühlte, sind vorbei, streiten ließe sich allenfalls darüber, wie lange schon. Gewerbliches Schreiben hat es natürlich schon immer gegeben, man denke nur an August von Kotzebue, dem man aber allein schon damit Unrecht tut, die Goethezeit Goethezeit zu nennen und nicht Kotzebuezeit. Immerhin hat man ihm einen tollen Grabstein gemeißelt, ein Sinnbild für das Leben eines Schriftstellers.
Wie kam ich drauf? Richtig, das Berufensein, bei dem es ja ganz wesentlich darauf ankommt, sich berufen zu fühlen, nicht berufen zu werden. Letzteres aber ist immer häufiger, ja fast immer der Fall, der Markt will es so. Und eben deswegen tönt mir dieser Schrei in den Ohren, sobald ich etwas verfasse, das nicht direkt seinen Weg findet vor die Augen der Leserschaft, denn stellen Sie sich diesen Text mal auf einem Lektorenschreibtisch oder auf dem Lektorentablet vor – sehen Sie, es hat überhaupt keinen Sinn, oder vielmehr, wenn es einen Sinn hat, dann hier!