Träschsch ist ein alter Text, ein Extrakt aus Der Bildermacher, begonnen 1996 und seitdem in Arbeit, in progress. Ganz anders etwa als Stadt, Angst, Schweigen ist Träschsch aber kein „Fließtext“ wie eben jener, sondern ein gleichsam atemloser, ein in unruhigem Wechsel rhythmisierter Text, ein Gebilde mit Brüchen und Rissen, ein Ich, das schreibt.
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Ich gehe in den Wald, jetzt wirklich. Niemand folgt mir. Sagte ich denn, dass mir jemand folgen wird? Ich glaube, ich sagte es. Ich hatte vorgegriffen. Ich erinnere mich. Ich würde, schritte ich das Bauzaunquadrat in meinem Garten nur gewissenhaft genug ab, die Seite, auf der dies beschrieben ist, sicher finden. Ich ginge innen im Eingefassten hin und her und kreuz und quer. Und fände sie. Wenn sie nicht gelöscht wurde! Ich gehe nun in den Wald. Es ist dunkel, finster, aber nicht kalt. Im Gegenteil, es ist warm. Schwül. Oft gingen wir gemeinsam hinein. Wir nahmen diesen Pfad, den ich nun gehe. Wir gingen Hand in Hand. Ich gehe nun allein. Ich gehe ohne Anna. Ich gehe langsam, der Boden ist eben. Solange der Boden eben ist, habe ich den Pfad nicht verlassen. Es ist ein Rundweg. Ich glaube, ich erwähnte das bereits. Ich gehe geradeaus. Ich gehe in Wirklichkeit nicht geradeaus, doch alles in mir spricht für ein Geradeausgehen. Ich erwarte keinerlei Hindernisse. Ich bin jedoch vorsichtig. Ein Baum könnte quer über den Pfad gestürzt sein. Oder der Kadaver eines Rehs könnte auf ihm liegen. Ich gehe also langsam, vorsichtig und zielstrebig. Ich habe weder Angst noch Furcht. Die Austrittsöffnung ist einige hundert Meter entfernt von der Eintrittsöffnung. Sie liegen in einer Linie an der zu meinem Haus gewandten Seite des Waldes. Der Wald ist akurat quadratisch, wie mein Bauzaunquadrat in meinem Garten, in das ich von oben hineinsehen kann. Der Wald wird von Feldern begrenzt. Der Rest eines Waldes, der einst ganz Europa bedeckte. Ich gehe langsam, vorsichtig und zielstrebig. Ich bleibe stehen. Es ist still. Ich denke nach. Anna und ich sagten immer, es sei ein Rundweg. Es ist ein Halbrundweg. Der Waldrand durchschneidet den Kreis. Ich gehe einige Schritte. Ginge ich zurück, ich fände den Pfad nicht. Möglicherweise. Immer sind wir dem Pfad von der Eintrittsöffnung links vom Haus aus gesehen zur Austrittsöffnung rechts vom Haus aus gesehen gefolgt. Nur wenn wir zum Bach wollten, so sind wir, glaube ich, zur Eintrittsöffnung hinein und auch wieder hinaus gegangen. Das aber ist dann etwas anderes.
Ich gehe einige weitere Schritte. Ich bleibe stehen. Hier ist der Abzweig zum Bachlauf hin. Es ist kühler hier. Ich spüre meine Hand in der ihren. Ich spreche nicht. Auch sie spicht nicht. Wortlos schreiten wir den Pfad zum Bach hinunter. Der Wald ist lichtlos, nur ein Brausen von Wind und ein Plätschern von Wasser erfüllt ihn. Wir entkleiden uns. Ich spüre den warmen und feuchten Schlamm zwischen meinen Zehen hindurchquellen. Ich berühre ihren Körper, sie den meinen. Das Brausen des Waldes ist um uns. Die Zeit ist auf die kleinstmögliche Einheit verdichtet. Ich höre Anna den Bachlauf durchschreiten. Die Welt ist finster, doch ich kann Anna hinfortschreiten hören. Ich erinnere mich.
Im Morgengrauen erwachte ich mit einem Frösteln. Ich kleidete mich an und verließ den Wald. Dort drüben im Schattenriss meines Hauses das erleuchtete Rechteck des Fensters. In ihm Anna. Sicher hat sie in meinem Text geschrieben, während ich im Wald gewesen war. Ihr Geruch ist noch ganz an mir. Bald schon betrete ich das Haus und rufe ihren Namen. Niemand ist hier. Ich gehe in mein Arbeitszimmer und finde den Text so vor, wie er nun hier steht. Genau so, nicht anders. Der Waldrand ist ein dunkles Band.