In fremder Leuts Tagebüchern zu lesen ist mir unangenehm, selbst wenn die Tagebuchschreiber längst tot sind. Vor Zeiten habe ich in einem Oxfam-Laden mal für einen Euro ein Reclam-Bändchen der Tagebücher Friedrich Hebbels (1813 bis 1863) erstanden. Leben und Leiden eines Dichters, Intimes und Persönliches. Allerdings konzipierte Hebbel sein Tagebuch von Beginn an sowohl als ein öffentliches als auch als eines, das ein Notenbuch seines Herzens sein soll, zur eigenen Erbauung in der Zukunft. Das Werk hatte somit seinen Dienst teilweise schon getan, bevor es mir in die Hände fiel. Ich blättere also heute mal hinein und lese: „Es gibt Leute, die heute Sozialisten und Rebellen sind und morgen Verwaltungsräte. Die sind Personifikationen der Seelenwanderung.“ (Nr. 5618) Na also, geht doch. Noch ein Versuch: „Der Künstler hat lauter Kugelgestalten im Kopf, der gewöhnliche Mensch lauter Dreiecke.“ (Nr. 5912) Wird ja immer besser – ich glaub‘, ich gewöhn mich doch dran.
Fremder Leuts Gedanken
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