Ich habe lange darüber nachgedacht, sehr lange, wo mein Unbehagen herkommen mag gegenüber dem Kleinbürgertum, und eigentlich habe ich es ja auch immer schon gewußt: Kleinbürger nehmen ihre Arbeit nicht persönlich, sie nehmen sie als eine Art Frondienst, für den sie so ordentlich wie möglich bezahlt bzw. entlohnt werden wollen, zu recht selbstverständlich. Das führt zu einer Zweiteilung des Lebens, zu einem zu ertragenden lohnabhängigen Leben einerseits und zu einem zu gestaltenden Andersleben (= Privatleben) andererseits. Für viele Menschen bedeutete dieses Modell in unserer Wohlstands-, Industrie- und Dienstleistungsdemokratie lange Zeit ein gutes Leben, bedeutet es noch, doch was tun, wenn man dieses Soleben schon als Kind nicht mag, obwohl man glücklicherweise nur Vorteile davon hatte und sich geliebt und beschützt fühlte und es auch war? Ist es dann nicht denkbar undankbar, ein anderes, aus eigener Sicht vollständiges Leben haben und leben und eben deswegen Künstler sein zu wollen? Ja, selbstredend, das ist undankbar, das ist ein Affront! Kann man denn seine Kunst, so wird suggeriert, nicht in seiner Freizeit machen, hat doch Kafka auch gemacht, wird einem gesagt, und ja doch, eben das macht man ja lange Jahre, nur daß man eben in seiner Freizeit Lohnarbeit verrichtet und die Kunst als die eigentliche, die eigene Arbeit ansieht. Für man muß ich natürlich eigentlich immer ich sagen, doch das hört sich so verloren an, als stünde ich ganz und gar allein da mit meinem kleinen, sowohl glücklichen als auch unglücklichen Künstlerdasein, für das man sich letzten Endes eben entscheiden muß, koste es, was es wolle. Die Hauptsache aber ist doch, sage ich, man verliert seine Stimme nicht!
Für sich selbst votieren!
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