Anknüpfend an all die 795 bisherigen Beiträge meiner Nachrichten aus den Prenzlauer Bergen! (seit September 2009) wird es Zeit, einmal Tacheles mit mir selbst zu reden. Das ist nicht einfach, auch wenn es mir eine Beruhigung ist, dass dies einerseits (nämlich hier) öffentlich wird, andererseits aber ohne Belang ist und keine Resonanz benötigt. Es geht um das Schreiben, das Leben und die Zeit. Ich könnte es kurz machen und zunächst einmal wahrheitsgemäß feststellen, dass ich seit 25 Jahren Literatur veröffentliche und somit, all das Unveröffentlichte mitgerechnet, sehr viel Lebenszeit mit dem Schreiben verbracht habe. So und nicht anders habe ich es gewollt. Habe ich es nun aber in den Jahren des Schreibens, beginnend Anfang der 80er Jahre während der Tischlerlehre, zu irgendeiner Form der Meisterschaft gebracht? Die Frage stellt sich, selbst beantworten werde ich sie mir nicht können, wenngleich die Tendenz natürlich zu einem Ja geht. Selbst beantworten allerdings muss ich mir die Frage nach dem zukünftigen Schreiben, die strikt verknüpft ist mit einer anderen Frage, nämlich ob denn mein Schreiben aus einem Suchtverhalten resultiert, und zwar in dem kleinstmöglichen Sinne des süchtigmachenden Vorgangs des Schreibens selbst. Wäre ich etwa zum Beispiel ruhmsüchtig, würde ich zusätzliche Energie und damit Agressivität ins Spiel bringen müssen, um in der Welt des Schreibens unbedingt etwas zu gelten. Natürlich kann man es auch zu etwas bringen ohne Ruhm- oder Geltungssucht, ja selbst mit einem sehr zurückhaltenden Wesen, aber dafür braucht es Glück in vielerlei Hinsicht, was näher auszuführen unnötig ist. Mit etwas Glück wäre es mir also sicher gelungen, meine umfangreicheren Arbeiten, etwa meinen Roman ANKERLICHTEN, in einem guten Verlag unterzubringen, und dass es nicht so gekommen ist, wurmt mich selbstverständlich; jahrelange intensive Arbeit für nichts. Aber da ich um das Risiko wusste, werde ich mich nun nicht beschweren, denn immerhin habe ich mir ja ungeachtet der Umstände eine tiefe Befriedigung errungen, weil mir manch ein Text wirklich gelungen ist – so viel Selbstlob muss schon sein. Ein weiterer Roman, SCHEERBART / HOLOGRAMM, liegt noch bei einem Verlag zur Prüfung – wird er dort abgelehnt, wandert er ins Archiv. Auch mein aktuelles Werk, DER KOMPLEX, habe ich nun abgebrochen, es bleibt Fragment, und zwar als Antwort auf die oben implizit gestellte Frage, ob ich denn noch so viel Lebenszeit aufwenden möchte, einen Roman zu schreiben, den ich wiederum mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht werde in einem Verlag veröffentlichen können. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, hier muss streng abgewogen werden, auch wenn die Antwort am Ende ein deutliches NEIN ist. Tacheles: Ich möchte lieber nicht. Daran nun schließt sich die Frage an, wie zu verhindern ist, dass mich die Schreibsucht doch wieder an den Schreibtisch zwingt, was ja immerhin auch zur Folge hat oder hätte, andere schöne oder auch nur notwendige Dinge nicht tun zu können oder zu vernachlässigen. Wie sähe also, so die Frage, mein Leben aus, wenn ich mich nicht mehr umfangreichen literarischen Projekten, sondern ausschließlich kleineren literarischen Arbeiten widmen würde. Kürzlich habe ich immerhin einige Gedichte veröffentlicht, die mich deutlich weniger Lebenszeit und Energie gekostet haben als kompliziert angelegte Prosaarbeiten, ja es war durchaus eine ganz andere und für mich neue Art des Arbeitens, weil ich eben einerseits gleichsam Vollzeit auf das Schreiben von Lyrik geeicht war, andererseits aber zur gleichen Zeit etwas völlig anderes tun konnte als zu schreiben, als Text auszubrüten. Das selbe gilt für kurze Prosatexte. Kurz gesagt, Lyrik und Kurzprosa fressen weniger Zeit und Energie und Nerven, sind aber, die Beherrschung des Handwerks vorausgesetzt, nicht weniger als ein Roman, so wie ein kleines Aquarell auch nicht weniger ist als ein großes Ölgemälde. Was also, so frage ich nochmals, tun? Weiter sich aufopfern und nichts als Kränkung ernten – denn auch dies ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein nichtveröffentlichter Roman bedeutet, für hochwertige Arbeit nicht bezahlt zu werden, was wieder nicht nur Finanzprobleme nach sich zieht, sondern eben auch einen kränkenden Umstand auf Dauer, was dann eben auch die Gefahr eines Suchtverhaltens wiederum erhöht. Nun ja, mag dies alles stimmig gedacht und gut beschrieben sein oder nicht, so ist doch am Ende dieses Textes festzustellen, dass ich nun das Schreiben von Romanen aufgebe, um mich der Lyrik und der Kurzprosa und wer weiß was zu widmen und zugleich so oft wie möglich etwas ganz anderes zu tun. So also mein aus diesem Text in kleistscher Manier entstandener Entschluss, dem die angekündigten Taten folgen werden!
Tacheles reden mit sich selbst
Dieser Beitrag wurde unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.