Das Schreiben von Romanen (1)

„Du bist der Beste, ganz klar. Behalte es für Dich. Vergiss es am besten. Das sind die anderen auch.“ (Michael Lentz: Textleben. S.58) Da mag Lentz recht haben, überhaupt sagte er in Vom Ich und Zurück. Poetologien manch Richtiges und Bedenkenswertes. Hat man natürlich alles schon gewußt, denkt man beim Lesen, ist aber nett, wenn der Lentz das mal aufschreibt, das mit den Schreiberfahrungen, die das schreibende Ich so macht. Ich schreibe, also bin ich. Natürlich denkt jeder Schreibende irgendwann, es geht garnicht um mich, sondern immer um den Text, an dem ich hänge. Richtig, das aber macht die Sache nicht einfacher. Einen Roman zu schreiben ist vom Schwierigkeitsgrad in etwa so, als wollte ich als Schiffbrüchiger auf hoher See aus dem Baumstamm, an den ich mich klammere, mit Zähnen und Fingernägeln ein Kanu bauen, um damit nach Hause zu paddeln. Unmöglich ist das nicht, nur eben schwierig. Sagen wir mal, es dauert bei gutem Verlauf etwa drei Jahre, in denen nebenbei noch Essen und Trinken besorgt und so manchem Sturm getrotzt werden muß. Das ist nichts für Weicheier, das erfordert den ganzen Mann, die ganze Frau. Wer Angst vorm Ertrinken hat, sollte nicht zur See fahren.

Ist man erstmal so weit, daß man in seinem Baumstamm sitzen kann, will man natürlich nicht mehr aufgeben. In meinem Roman bin ich zum Beispiel auf S.216 bei der Szene, wo M. bei A. auftaucht, um ihn um Rat zu fragen, während A. dummerweise kurz zuvor Drogen genommen hat, um einschlafen zu können. Später weiß er nicht mehr, was wirklich passiert ist. Ich bin also, um mal beim Beispiel mit dem Kanubau zu bleiben, schon bis zu einer gewissen Tiefe vorgedrungen, das Ding entwickelt sich, doch arbeite ich weiter in die Tiefe, so säuft mir alles ab. Besser also ein Paddel bauen, die Stromlinienförmigkeit verbessern, und dann gehts los, bis ich festen Boden unter den Füßen habe. Nun ja, alle Beispiele hexametern ein wenig, lassen wir das also. Ich muß zurück an den Text, Leute. Wie gesagt, M. taucht bei A. auf und …

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11 Antworten auf Das Schreiben von Romanen (1)

  1. Phyllis sagt:

    Einem Autor, der Zähne und Fingernägel zur Holzbearbeitung verwendet, darf man natürlich nichts von Sägen erzählen. Oder Stemmeisen. Oder gar Äxten! Diesem Menschen einfach ein Rettungsboot vorbeizuschicken steht auch nicht zur Debatte, denn, der würde sich ja weiter an seinen Stamm klammern.
    Also bleibt mir nichts, als weiterhin gutes Nagen zu wünschen. So von einem Otter zum anderen!

  2. Phyllis sagt:

    P.s. Ich meine natürlich Bieber!
    Grrrr.

  3. Ja, liebe Phyllis, der Autor hängt an seinem Text, auch wenn es gelegentlich mal eine Haßliebe sein mag. Kennen Sie die Log Lady aus David Lynchs Serie „Twin Peaks“? Nicht zufällig ist sie auch diejenige, die die Folgen jeweils erzählend einleitet und darüber hinaus auch noch die Sprache ihres Holzscheits versteht. Das ist echte Hingabe, ohne die auch Schriftsteller nicht auskommen!
    (PS: Sie meinen auch nicht Bieber, sondern Biber. Bieber ist dieser Bengel, dem alle Mädchen verfallen!)

  4. Phyllis sagt:

    „Biiiiiiber!“

    (Ich bin heute so groggy, dass es noch nicht mal zum Schämen ob meines Rechtschreibfehlers langt : )

  5. Ach was, Rechtschreibfehler! Hat sich nicht letztens erst eine Bad Bank um 55,5 Milliarden Euro verrechnet? Bieber ist Biber, und ich denke dabei ohnehin immer an Biberbettwäsche, denn die wurde mir als Kind immer als warm verkauft, obwohl sie nur weniger kalt war als die andere. Und überhaupt: Sie hätten ja auch von Specht zu Specht schreiben können, aber warum einfach, wenns auch schwierig geht! Genießen Sie Ihr Groggysein!

  6. Phorkyas sagt:

    Nun kann ich mich angesichts dieser Metapher nicht ganz entscheiden, ob ich eher an Fluch der Karibik (Rückenhaar und Schildkröten) oder an Blumenberg (Schiffbruch) denken soll.

    So wie Sie diesen Irrsinn schon ästhetisieren, bekäme ich schon fast Lust auf einen solchen Schiffbruch auf hoher See, weiß aber ich sollte es besser lassen. Viel Vergnügen bei den Ihrigen!

  7. Immerhin ergibt die Unmöglichkeit, sich als Schiffbrüchiger ein Kanu aus einem Baumstamm zu bauen eine Geschichte, wenn auch eine abstruse. Als Beispiel hinkt sie natürlich, doch irgendetwas muß man ja tun, während man auf Rettung wartet. Vielleicht sollte man sich besser mit dem Baumstamm anfreunden, statt ihn auszuhöhlen. Dann hat man im Scheitern wenigstens einen Freund!

  8. blogozentriker sagt:

    Ein Bild, das einen zum Nachdenken bringt: „Einen Roman zu schreiben ist vom Schwierigkeitsgrad in etwa so, als wollte ich als Schiffbrüchiger auf hoher See aus dem Baumstamm, an den ich mich klammere, mit Zähnen und Fingernägeln ein Kanu bauen, um damit nach Hause zu paddeln. Unmöglich ist das nicht, nur eben schwierig.“ Was gemeinhin so gedruckt wird, ist ja meist aber eher ein mit Hightech-Werkzeugen gebautes Floß, Produkt aus einem Schwung dünner Birkenstämme, den eine korrupte, gesichtslose Macht ohne Grund bei einem jungen Autor im Prenzlauer Berg abgeliefert hat, oder?

  9. Naja, auf der einen Seite kann man das Schreiben von Romanen ganz eigenständig lernen, indem man ins kalte Wasser springt, ohne gleich zu ertrinken, auf der anderen Seite steht den biologisch jungen Autoren bei grundsätzlicher Eignung tatsächlich eine fast industriell gefertigte Plattform zur Verfügung, von der sie dann aber nicht herunterfallen dürfen, denn das Wasser ist nicht nur kalt, sondern auch tief. Ich persönlich setze auf die Qualität meiner Arbeit, es bleibt mir ja nichts anderes übrig – der Tragfähigkeit dünner Birkenstämme traute ich sowieso nicht.

  10. Phorkyas sagt:

    Auch das Hightech-Dingens hat doch aber Qualität, oder nicht? Da sitzt man dann in dem archaischen Einbaum, in dem man jede Holzpore des Blattes einzeln durchatmet hat und dann ballert so ein Laser (http://de.wikipedia.org/wiki/Laser_(Bootsklasse) ) an einem vorbei. No, was macht man dann? Holt seinen EMP und stört seinen GPS? Eigentlich schaukelt’s sich ja auch sehr angenehm im warmen Holz und wer hatte denn je schon die Illusion irgendwo anzukommen auf festem Grund, da müsst man ja schon Katholik sein, oder Marxist.

  11. Mir scheint, ich habe da mit dem Schiffbrüchigen und dem Baumstamm ein recht tragfähiges Bild in die Welt gesetzt. Zum Schreiben braucht man in der Tat nicht viel Technik, verglichen mit dem Aufwand für anderweitiges Kunsttun. (Ich schreibe immer mal wieder auch längere handschriftliche Texte.) Der Romanschreibende ist auch, da muß ich Ihnen recht geben, kein Mensch, der irgendwo ankommen könnte, weder in der Diktatur der Romanschreiberklasse noch im Vatikan. Ich für meinen Teil schaukele zwar nicht angenehm im warmen Holz, aber ich bewege mich, sozusagen kreuz und quer im Meer der Illusionen.

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