Meine Tagesration an Inspiration hole ich mir gemeinhin durch Lektüre und eher selten durch persönliche Begegnungen. Ein Tag, an dem ich nicht schreibe und auch nicht lese, ist ein verlorener Tag, und meistens lese ich Romane, und zwar eindeutig mit dem Ziel, etwas Außergewöhnliches zu erleben, zu haben. Gelingt dies, wie neulich etwa mit der Lektüre von Célines Reise ans Ende der Nacht oder mit Witold Gombrowicz‘ Ferdydurke und auch mit seinem Pornographie, fühle ich mich getragen wie ein Vogel von warmen Luftströmungen. Herrlich ist das! Mißlingt dies allerdings, stecke ich also mitnichten in einem außergewöhnlichen Buch, flattere ich orientierungslos hin und her und auf und ab, um bloß nicht abzustürzen … das wäre das Schlimmste, abzustürzen, ein Leben in den viehischen Niederungen der Realität führen, wo alles nicht mehr bedeutet als das, was es grad so eben mal ist. Denn aus Dienstbeflissenheit sich etwas vormachen, etwas schönreden, sich selbst die in Aussicht stehende Belohnung, von Urlaub bis Lebensabend, wie die Möhre vor die Nase halten … das ist mein Ding nicht! Stünde Selbstbetrug unter Strafe, die Kerker wären übervoll! Natürlich sehe ich ein, daß es ohne diese Lebenshaltung imgrunde nicht geht, man kann nicht aus Verdruß ständig den Beruf wechseln oder vor Problemen wegrennen, nur weil man sich als Individuum gekränkt fühlt, benutzt, verschlissen und weggeworfen. Außerdem, Strafe muß sein, allzu blauäugige Entscheidungen führen eben zu dem, was man dann späterhin auszuhalten und zu bewältigen hat – hat man sich also etwa das noch jugendliche Leben einmal retten lassen durch die Literatur, ihr damit verfallend, muß man in seinem Leben natürlich Bücher schreiben, ganz gleich, ob man damit dann Erfolg hat oder nicht. Ähnliches gilt ganz allgemein für alles Rettende, auch für Geld, denn wer dem einmal verfallen ist, und sei es aus einem eklatanten Mangel an demselben in Jugendzeiten, kommt nie wieder oder doch nur sehr schwer davon los. Für Gott und Drogen gilt dasselbe. Natürlich muß Geld, Gott und Drogen nicht zu einem völligen Absturz führen, nicht jeder Geldmensch ist ein niederträchtiger Gierhals, nicht jeder Gottgläubige ein Fundamentalist, nicht jeder Drogenkonsument ein Abhängiger, so daß die meisten sich flatternd irgendwo auf halber Höhe wiederfinden, gewissermaßen zwischen Himmel und Hölle. Dazu im Gegensatz besteht allerdings für die auf die Literatur Eingeschworenen, von ihr Abhängigen, keine Hoffnung auf ein erträgliches Dazwischen … denn sie sind derartig abhängig von ihrem Tun, daß sie ständig hindurch müssen, durch Himmel und Hölle, ja, es ist ein ständiges Hinauf und Hinunter, Hinein, Hindurch und Heraus und wieder Hinein – wie es im Buche steht.
Augen auf und durch!
Dieser Beitrag wurde unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.