Was tun?

Was tun? Während da draußen die Welt runtergewirtschaftet wird, und zwar nicht einmal im wirtschaftlichen Sinne, sitze ich drinnen und schreibe und überarbeite Texte. Das ist ein wenig so, als beugte ich den Nacken, um es dem Henker leichter zu machen, die richtige Stelle zu treffen. Autoren sind Bettelmönche, deren Gemurmel nicht weiter stört, es sei denn, sie heben den Kopf und recken den Leib und stehen aufrecht im Wind. Was tun? Den Geschichten lauschen etwa? Doch hat nicht heutigentags allein schon jedes Produkt seine Geschichte, mit dem es sich um Aufmerksamkeit bewirbt, ja kann denn dieser da im Wind stehende Autor dagegen überhaupt anstinken, mit seinem erfundenen Zeugs? Ist er nicht selbst erfunden, dieser Autor da, von sich selbst in die Welt gesetzt, in der er jetzt herumsteht und nicht einmal still in der Ecke, wo er denn ruhig murmeln dürfte, dass ihm die Worte nur so aus dem Munde purzeln, aber nein, er steht da im Wind und schreit den Menschen seine Worte um die Ohren. Hat der Kerl denn keine Mutter, die ihn früh genug mit Verachtung strafte, wenn er aufmuckte mit seinem Geseiere? Ja, sicher, hat er, aber trotzdem bläst ihn der Wind nicht um. Warum nur, und was tun? Dem Wind vertrauen? Oder sollte dieser Autor da, erfunden wie er ist, sogar mich, der ich puste und puste, einfach so in die Welt gesetzt haben, nur um ihn anzupusten statt umzupusten? Und da lacht der Kerl auch noch! Was also tun?

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4 Antworten auf Was tun?

  1. Textflüsterer sagt:

    „Was tun?“, fragen Sie.

    „Widerstand leisten“ wäre eine Möglichkeit.

    Gegen fortschreitende Haltungsverwahrlosung.
    Gegen grassierende Begriffsatrophie.
    Gegen wohlfeiles Geschwätz.

    Aus Ihrem Text greife ich das „Produkt“ heraus, welches sich mit seiner Geschichte um Aufmerksamkeit bewirbt. Und frage mich, wie das „Produkt“ dastünde, würde es denn um Aufmerksamkeit werben. Ich komme dabei zum Ergebnis, dass sich das „Produkt“ im Akt der Bewerbung seines Selbstbewusstseins weitestgehend entledigen muss, um einigermaßen unbeschadet davon zu kommen. Im Ablehnungsfall.

    Dann frage ich mich weiter, wie es einer Autor:in ergeht. Scharf formuliert: Autor:innen – verallgemeinert: Künstler:innen – die sich bewerben, haben bereits kapituliert, bevor überhaupt entschieden wurde.

  2. Konkurrenz und Sichbewerben im öffentlichen Raum, das Buhlen um die Gunst des Publikums halte ich an sich ja für ganz und gar notwendig und quasi völlig normal. Dabei geht es natürlich auch um die Erregung von Aufmerksamkeit. Wenn es sich dabei um das Bewerben von Künstler:inn:en handelt, so steckt dahinter dann auch das Einfordern von Wertschätzung über das Produkt hinaus auch für den Menschen dahinter oder da drin – und eben dafür braucht man als Künstler Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und ein, wie man so sagt, dickes Fell. Vieles an Geld und Preisen läuft natürlich (nur) über Seilschaften, Beziehungen, auch Moden und Präferenzen spielen eine große Rolle. Ich immerhin kann sagen, dass die Erfolgsquote bei meinen „Bewerbungen“ mit meinen „Produkten“ (Kunst, Kulturwissenschaft, Schriftstellerei) über 0% und unter 1% liegt, und natürlich arbeite ich daran, weiter aufrecht im Wind zu stehen und mich selbst zu erfinden. Wie schrieb ich letztens noch: „Wer einer Erfolglosigkeit wegen aufgibt, hat nicht den Erfolg, sondern das Aufgeben verdient.“ Mit Kapitulieren hat das Ringen um Aufmerksamkeit, das Sichbewerben um angemessene Anerkennung also nichts zu tun, meiner Ansicht nach!

  3. Textflüsterer sagt:

    Meiner Ansicht nach verzichtet, wer „sich bewirbt“, auf die ‚Transitivität des Prozesses und unterlässt damit, Aufmerksamkeit und Anerkennung erst zu erschaffen – wie solches im „werben“ erreicht wird. Vor dieser Herausforderung kapituliert die „Bewerbung“.

  4. Eine Transitivität des Prozesses würde aber voraussetzen, dass der „Raum“ für diesen – wünschenswerten – Übergangsprozess schon vorhanden ist. Da dies aber oft nicht der Fall ist, sich die Interessen also gar nicht erst treffen können, muss zu dem quasi groben Mittel der Berwerbung gegriffen werden, und dann konkurriert die Kunst eben leider auch mit allerlei anderen Dingen. Das ist weder schön noch gut, aber die Realität.

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