Lesen schadet nur! Paul Jandl hat’s begriffen

Während auf der einen Seite beklagt wird, immer weniger Menschen läsen*, so wird auf der anderen Seite bejubelt, dass es das Buch zum Event** geschafft hat und das literarische Leben floriert. Schreibt beides der Journalist Paul Jandl. Nun ja, wer sich in den Literaturbetrieb begibt, kommt darin um. Festzustellen ist in jedem Fall, das gute Buch, der gute Roman ist so gut wie tot, die Totenfeier des Buches aber ist von steter Dauerhaftigkeit. Nicht etwa, dass man dem Buch die Unschuld geraubt hätte und es so an Wert verlöre, so eine Art Heintje***-Effekt, nein, ganz im Gegenteil, man hat dem Buch die Schuld geraubt, nämlich verantwortlich zu sein für alles, was in ihm und aus ihm heraus geschieht. Das dunkle Geheimnis eines jeden guten Buches, allein dem jeweiligen Leser, der Leserin ganz und gar subjektiv im Leseprozess erkennbar, hat man einfach mal knallbunt angemalt, hat es, wie ein lebendiges Tier, in ein totes verwandelt und in kleinen Einzelteilen dem Publikum zum Fressen vorgeworfen. Häppchenweise. So wenig wie die Teilnehmer eines Festmahls Köche sind, so wenig sind Besucher eines Literaturfestivals nunmal Leser, und Schriftsteller schon gar nicht, sie sind Gäste, Eventhopper, die zu bespaßen eine lukrative Aufgabe zu sein hat. Während also beispielsweise die Möglichkeit einer Aufführung von Musik auf einer Bühne einen fundamentalen Grund der Musik als solcher darstellt und ihr keineswegs Schaden zufügt, kommt dem Buch durch seine Eventisierung der Leser abhanden, denn wer ist schon so blöd, nach der schon genossenen Feier noch draufzuzahlen, mit Geld und Zeit. Und selbst wenn, selbst wenn denn einer nach einem Literaturevent ein Buch kaufte, hätte er dann nicht den Sound der Autorin, des Autors im Kopfe statt des eigenen, was ja nun überhaupt nicht Sinn der Sache ist. Aber wie dem auch sei, es erscheint immer sinnloser, in dieser Welt Jahre damit zu verbringen, einen Roman zu schreiben, der nur noch als garnierendes Häppchen zu gebrauchen ist. Wer trotzdem schreibt weiß, er ist verrückt geworden oder geblieben und zieht seiner eigenen Wege, im Text wie im Leben. Das dazu!

Fleischer-Metzger-Schlachter-Fleischhacker-Fleischhauer. Copyright: www.wurstakademie.com Illustration und Fotos: Mario Pizzinini

 

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