Arbeit am Blödsinnsaustreiben

Sonntage sind mir, da ich nicht Gott bin, oft Arbeitstage, auch deswegen, weil ich ja schließlich nur selten die sechs Tage vorher durchgehend an der Welt geackert habe. Also werde ich heute arbeiten, auch an mir selber. Dazu gehört zunächst, mir eine Angelegenheit durch den Kopf gehen zu lassen, in der ich, ich wurde mit der Nase darauf gestoßen, Blödsinn schrieb und speziell der bildenden Kunst nicht gerecht wurde, ja sie sogar abwertete – und dies auch noch in einer Antwort an der Herrn Dilettanten, der ja nun tatsächlich eben das Malen mit beeindruckendem Erfolg betreibt, wie ich finde. [siehe dort >>>] Erklären kann ich mir diese meine Schriftstellerarroganz nur damit, daß ich ja tatsächlich vor Jahren, nach gutem Beginn, letztlich an und in der bildenden Kunst scheiterte und mir dies noch immer nachhängt, mir wie ein Stachel in der Seele steckt, den ich nun aber herauszuarbeiten habe. Um die Sache aber zu konkretisieren, hier das von mir Geschriebene:

„Zu bedenken ist auch noch, daß ein Leser nicht untätig nur sieht oder hört, wie vor einem Gemälde stehend oder in einem Konzert weilend, sondern als Leser (qua Nachvollzug und Verlebendigung) seinen Teil beizutragen hat zum Leseerlebnis, zum Gelingen des Kunstwerks, was durchaus ein Ringen darstellt mit dem vom Autor Vorgegebenen, ein Kampf, den beide verlieren im Mißlingen, im Nichterschaffen des Werkes als ein lebendiges Jetzt.“ [Im Kommentarteil zu diesem Beitrag]

Das nun ist, wie alle sehen können und auch der Herr Dilettant sicher gesehen hat, Blödsinn, und dies nicht etwa, weil die Aussage in bezug auf das Lesen falsch wäre. Grundfalsch an dem von mir Gesagten ist, der bildenden Kunst bzw. der Malerei abzusprechen, sie erfordere eine notwendige Rezeptions- bzw. Affirmationsleistung des Betrachters, die dieser ja tatsächlich, um das nun klar zu sagen, zu erbringen hat und auch schon immer hatte. (Ich drück das mal so aus, anders ist mir das in meiner momentan-verwirrten Verfassung nicht möglich.) Ich habe also, wie gesagt wahrscheinlich aufgrund der mir geschehenen, mir aber selbst zuzuschreibenden Kränkung, die allein aus meinem Scheitern in der Sache entstand, die bildende Kunst wie Kitsch behandelt, etwas, das mir nicht hätte passieren dürfen und auch nicht wieder passieren darf, will ich nicht auch als Autor scheitern, indem ich etwa die mir selbst gesetzten Qualitätsmaßstäbe unterlaufe. Und natürlich werde ich daran auch nicht nur an Sonntagen, sondern dauerhaft immer zu arbeiten haben, definitiv.

 

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Ich würde so gerne … so gerne

Ich würde so gerne ein Liedchen singen, aber ich kann nicht (singen), ich würde so gerne das entscheidende Tor schießen, aber ich bin in keinem Team (drin), ich würde so gerne die Welt bereisen, aber sie ist ja immer schon (da) – was soll ich nur machen? Ich würde auch gerne einen schönen Text schreiben, aber der ist auch immer schon geschrieben, wenn ich grad eben daran dachte, ihn zu, ja – schreiben. Und dann denke ich, das könnte der Beginn eines schönen Theaterstückes sein, das die Jugend begeistert, aber dann fällt mir ein, das gibt es ja schon und die Jugend auch. Der Einzige, das nicht da ist, ist manchmal ich, und wenn das mal wieder so weit gekommen ist, dann denke ich daran, wie gerne ich ein Liedchen singen würde, aber ich kann nicht (singen)

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Ideenjongleur

Ich bin nicht der einzige Mensch, der sich fragt, was er am allerbesten antworten solle, wenn er gefragt wird, was er denn so mache, also beruflich treibe, welche Profession er ausübe. (Letzteres fragt kein Mensch, obwohl die Frage nach der Profession meiner Ansicht nach die angemessenste wäre. So kann man sich absetzen von dem, was man aus anderen Gründen zu tun genötigt ist.) Zuletzt erst versuchte ich mich an diesem Thema, Sie erinnern sich, und nun also abermals. Vielleicht, überlege ich also, sollte ich den Fragenden nicht mit einem Begriff konfrontieren, Autor, Schriftsteller, Kulturwissenschaftler, Schlafmütze (oder was weiß ich), sondern sagen, was ich eigentlich und auch im übertragenen Sinne tue. Also, aufgemerkt: „Eigentlich tue ich nichts anderes, als mit Ideen zu jonglieren, wobei mir die ein oder andere auch mal entgleitet und zu Boden fällt oder sich in Nichts auflöst, während wieder andere wie aus eben diesem Nichts heraus dazukommen, die ich dann wie die verbliebenen in Bewegung zu halten trachte, von einer Hand in die andere gleiten lasse und werfe, sie hoch und höher schleudernd oder eng bei mir haltend, sie mit Stirn und Schulter und Ellenbogen und Fuß und Oberschenkel und wie auch immer bearbeitend, ihnen so Leben spendend, bis denn das Ganze rund und stimmig ist und sich schließlich zu einem Text verdichtet …  ja, mein Gott, verstehen Sie das denn nicht, man weiß doch wie ein Jongleur mit Bällen jongliert, so eben ich mit Ideen! Ich bin ein Ideenjongleur, ein Jongleur des Idées (Phyllis, Hilfe! Mein Französisch reicht nur bis zur nächsten Post!), das wird sich doch wohl noch fassen lassen, Herrgöttinsakramentnocheins!“ Manno!

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Poesie und Atmen

Die letzten zwei, drei Wochen habe ich dazu genutzt, mir ein Bild zu machen, einfach indem ich stehenblieb und mich so rückwärts von der allgegenwärtigen veröffentlichten Meinung entfernte – und siehe da, die auf unbedingte Aktualität getrimmten Medien erwiesen sich tatsächlich als eine Art Bild im Bild, einem gerahmten Gemälde auf einer Staffelei gleich, irgendwo dahinten in der Landschaft. Drumherum ist, an sich nicht sehr überraschend, noch viel Platz für … ich will es mal Poesie und Atmen nennen. Statt dem mir so vertraut gewordenen Vollgestopftheitsgefühl hatte ich den Eindruck, die „Dinge“ endlich mal wieder nacheinander zu kauen, zu verschlucken und zu verdauen, um das mal so unpoetisch wie möglich auszudrücken. (Hätte ich nicht endlich einmal innegehalten, wie viel wäre mir wohl entgangen, frage ich mich, auch einfach nur so etwas wie die berührende Dokumentation, die ich vor ein paar Tagen sah, Die Frau mit den fünf Elefanten.)  Sicher, andere Menschen nennen so eine kurze Zeitspanne des Innehaltens Urlaub, dient diese doch der Erholung und der Wiedererlangung der Arbeitskraft, weil man auch mal wieder man selbst sein kann, wie man so sagt, bevor es im alten Trott weitergeht – und auch mir dient das, was ich dann vielleicht doch nicht Poesie und Atmen, sondern verknüpft Poetmen nennen möchte, ganz genau dazu, eben weil das Stehenbleiben auch nur ein Bild im Bild ist und ich natürlich weiterhin unverlangt an neuen Welten arbeite, Sie wissen ja, wieder so ein vermaledeiter Roman, wieder der alte Trott des Schreibens, Buchstabe für Buchstabe und Wort für Wort und Satz für Satz, geschrieben und verworfen und wiedergeschrieben und so weiter und immer so fort – ein Pulsieren, ein Ein- und ein Ausfalten, ein Hin und Her und Auf und Ab und Für und Wider …

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Unbedenklichkeitsbescheinigung der Prüfstelle für Geistesnahrung

So ein Roman kommt ja aus dem Gebären und gleichzeitigem Geborenwerden gar nicht mehr heraus! Das ist ein Kreißen und Kreiseln und Kreischen, daß es eine Wonne zu sein hat. Ist es auch! Grad gestern kapitulierte ich als der mutmaßliche Erschaffer meines neuen Romans vor einer unermeßlichen Anstrengung, die aber, so meine plötzliche Erkenntnis, zu viel zu viel Realismus geführt hätte, zu viel zu viel harten Fragen. Ich will keine harten Fragen, keine Ermittlungsergebnisse, warum, wer, was, wo, warum getan, gesagt, nicht getan oder wo, warum und wie auch immer verbrochen hat. Ergo bleibe ich, entgegen der ersten Planung beim Ich-Erzähler, was auch heißt, der Ich-Erzähler bleibt bei sich. Ich schreibe schließlich den Roman, warum dann kein Ich-Erzähler sein, der schreibend und geschriebenwordensein immer mehr er selbst ist, bis er es am Ende von der ersten Zeile an war und wieder und wieder ist. Wußten Sie, daß Heinrich Heine als Fast-noch-Zeitgenosse von Karl Philipp Moritz diesen mit der moritzschen Romanfigur Anton Reiser verwechselte? Karl Philipp Moritz, geschrieben von Anton Reiser! Ja, und warum auch nicht, das war durchaus kein Irrtum Heines, denn ein nicht in plattem Realismus aufgehender und sich befriedigender Roman, der ganz zurecht auch ein psychologischer und dann in der Vorbemerkung auch noch ein biografischer genannt wird, darf nicht allzu klare und allzu deutliche Spuren, Antworten und Ergebnisse in der Welt hinterlassen, denn so wie alle Lust Ewigkeit will, so will jede Geschichte auf ewig Irrsinn stiften – ein Roman ist kein Prüfbericht! Blut, Schweiß und Tränen, daraus werden Romane geboren, nicht aus Fleiß, Ideen und Buchstaben, nur daß leider viel zu viele Leser:innen sich heutigentags den Roman mit TÜV-Stempel zu wünschen scheinen, mit einer Liste der Inhaltsstoffe und einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der Prüfstelle für Geistesnahrung. Schon mal den Titan von Jean Paul gelesen oder den Siebenkäs, E.T.A. Hoffmanns Kater Murr, Samuel Becketts Watt, Witold Gombrowicz‘ Ferdydurke, Kafka, Koeppen, Döblin, Joyce, Musil, Sören Kierkegaards Roman Die Wiederholung und was sonst nicht alles, und alles ohne Verträglichkeitszertifikat! Und glauben Sie mal nicht, nur die sogenannte Vergangenheit böte solch dreckiges, nicht in Schutzatmosphäre hergestelltes Zeug, mitnichten, da muß man nur ein wenig suchen und es wagen, auch mal querfeldein und querfeldkreuz zu gehen, ja scheiße noch mal! Weg mit den Berührt-inniglich-Klappentext-Zertifikationen, wider das Zugeschmissenwerden mit Kitsch, der Arbeitskraftwiederherstellungsprosa – ein Roman ist ein Abenteuer, das böse ausgehen kann, und zwar für alle Beteiligten, und dies vor allem, weil all die Welten sich vermischen und vermählen und sich abstoßen und wieder vereinen, bis …, ja, bis was eigentlich ist oder zu sein scheint? Lesen Sie mal, was Aléa Torik über Fiktion, Wirklichkeit und Identität zu sagen hat, lesen sie den Roman von Aléa Torik mit dem Titel Aléas Ich, trauen Sie sich an das vielfältige Werk von Alban Nikolai Herbst heran, Mensch, lesen Sie doch, was Sie wollen, denn nur so ist ein Stück Literatur wirklich auch die ihrige. – – – Sódele, wollte ich nur mal hingeschrieben haben, nichts für Ungut, wie man so schön sagt, ich mußte halt mal wieder raus damit, ich mußte es hinschreiben, ein Zwang, ein Nichtlassenkönnen, einfach die Folge meines Aufgewühltseins, ja, aufgewühlt – das trifft es, geradewegs der richtige Zustand, einen Roman zu gebären, der einen Ich-Erzähler erschafft, der eine Geschichte erzählt, in der ich …

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Balkenbiegen

Ich habe zwei große weiße Pappen an die Wand geklebt und entwerfe darauf meinen neuen Roman. Mit einem Bleistift des Härtegrades 3B. Sie wissen schon, Namen, Sätze, Pfeile von hier nach dort, durchgestrichene und eingekreiste Worte, Ausrufezeichen, Fragezeichen, vor allem Fragezeichen. Gleichzeitig beginne ich mit dem Schreiben, und zwar ganz vorne mit dem Epilog. Zunächst ist alles, so wie ich es mir vor- und darstelle, sehr verwickelt, unklar und an vielen Stellen offen – ich kenne die Motivlage der Protagonisten noch nicht, nur meine eigene ist mir einigermaßen schlüssig, weil es einen mit mir teilweise deckungsgleichen Ich-Erzähler geben wird, der all die Fetzen anderer Identitäten und Geschichten zusammenfügt. Den bisher entstandenen 16 Seiten des Epilogs, was zwei Arbeitstagen entspricht, stehen bereits entworfene und teils geschriebene „Originaldokumente“ zur Seite (Tagebucheinträge, Essay, Romanfragment, Briefe), die von handelnden Personen stammen, die es teilweise noch gar nicht gibt, während die drei bisher aufgetauchten Menschen bereits damit beginnen, mir ihre Identität, ihr Sein aufzudrängen, sich in meine Gedanken zu schleichen, mich anzufixen, zu manipulieren. Ich kenn das schon, Jeder und Jede will die Hauptrolle haben, koste es, was es wolle. Sollte ich diese drei bisher aufgetauchten Menschen kurz beschreiben, so würde ich sagen: ein frivoles Miststück, ein rachsüchtiges Miststück und ein mieser alter Sack, der hinter seiner bürgerlichen Kulisse Pläne schmiedet, die zum Ende der Republik führen sollen. Ach ja, der Roman hat zwei Zeitebenen, die ein hohes Menschenalter auseinanderliegen und doch beide in höchstem Grade modern sind in dem Sinne, daß Grundsätzliches sich ändert, nach und nach, schleichend, manchmal sogar mit der Anmutung der Seinsverbesserung. Mit Realismus aber, da seien Sie versichert, hat das alles nicht viel zu tun, es wird gelogen werden, daß sich die Balken biegen, was kein Wunder ist, ist doch selbst unsere uns so bekannt dünkende Welt nichts weiter als das Ergebnis von Mythen, Mythen, Mythen, die sich Menschen wie wir in bunter Vorzeit ausdachten, um von den Bäumen runterzukommen. Das ist die Wahrheit.

So what! Norbert W. Schlinkert 

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Beruf SCHRIFTLER oder: wo wann bin ich was wie?

Nicht selten und in letzter Zeit wieder öfter werde ich gefragt, was ich denn so mache. Die beste Antwort ist natürlich „nix“ oder „ich arbeite so vor mich hin“ oder auch lakonisch „ich verträume meine Tage“, denn schließlich wußte ich ja schon als Kind auf die Frage, was ich denn mal werden wolle, auch überhaupt nie eine Antwort – dazu fehlte es mir an erwachsenen Vorbildern, an solchen, die mit Überzeugung etwas vorstellten. Es beeindruckte mich tatsächlich nichts von dem, was Erwachsene taten! Auch ihre Sportwagen, Häuser und Swimmingpools machten mir keinen Eindruck, ich spürte nicht die geringste Verbindung zu ihrem Sein und Tun, ich war ganz eigen mit dem Gefühl meiner selbst, meinem schon immer ausgeprägten Selbstbewußtsein, nicht zu verwechseln mit Selbstvertrauen, denn das hatte ich als Kind nur sehr eingeschränkt in bestimmten Bereichen, dem Fußballspielen etwa. Wie leicht also hätte ich auf die Idee verfallen können, ich sei ein Außerirdischer! So weit sollte es nicht kommen, wenn mir auch eines Tages, die Fußgängerzone meiner kleinen Heimatstadt hinunterschlendernd, die Einsicht aufdämmerte, schüchtern noch, diesen Ort verlassen zu können und auch zu dürfen, quasi mit Selbsterlaubnis, um mein eigenes Leben zu leben, bevor ich mich am Ende noch zu einem Zombie entwickelte.

So wurde ich also zu einem Weggeher, und das ist ja auch schon was, denke ich, vor allem weil es mich so zunächst, als dem naheliegendsten Fluchtweg, zur Literatur trieb, in der das Weggehenmüssen seit je her Thema ist. Vielleicht sollte ich nach meinem Tun befragt immer sagen, ich erforsche das Weggehen als literarischen Topos, oder so etwas in der Art, aber wie immer, wenn ich überlege, wie ich in Gesellschaft ein über mein einfaches Dabeisein hinausreichendes klares, sauber formuliertes Bild meiner selbst geben könnte, kann ich mich mit so etwas nicht anfreunden, denn so ganz stimmt nichts von dem, was ich sagen könnte. So ertappe ich und auch die anderen mich dabei, wie ich nicht selten mit einem „An sich“ und „Eigentlich“ meine Sätze beginne oder gar beende. Was für ein DILEMMA das doch ist! Ich kann nicht mal genau sagen, was ich früher mal gewesen sein mag, aus dem Betrieb der bildenden Kunst bin ich raus, so wie auch aus dem des Akademischen, selbst wenn ich nicht aufhöre, irgendwie immer auch noch bildender Künstler und auch Akademiker zu sein, was ich beides ohnehin nie voneinander getrennt habe und auch nie von dem, was man so gemeinhin als die Tätigkeit eines Autors ansieht.

Also, Butter bei die Fische – was machst Du denn so? – Die Frage steht also mal wieder im Raum, mit dem Rücken zur Tür. Flucht unmöglich. Ich druckse herum, gieße mir nach, trinke einen Schluck, lasse mein Leben vor meinem geistigen Auge Revue passieren, stelle bald das Glas auf den Tisch, drehe es sodann mit spitzen Fingern im Uhrzeigersinn, alles natürlich nur, um Zeit zu gewinnen. Schließlich aber schaue ich, Fatalist der ich bin, meinem Gegenüber tief in die Augen, und was soll ich sagen, plötzlich steht mir, wie aus dem Nichts und in aller Klarheit, die richtige Antwort vor Augen. „Ich bin Schriftler“ sage ich, den Kopf ein wenig zur Seite legend, „mit Leib und Seele Schriftler! Nicht mehr und nicht weniger und immer auch schon gewesen!“ (Na also, geht doch!)

 

 

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Belanglose Mitteilung

Ich bin nicht plötzlich weniger geworden, nur weil ich seit ’ner Weile weniger auf anderermenschen Weblogs kommentiere oder hier bei mir zuhause womöglich ein wenig weniger schreibe. Schreiben kann man schließlich auch so, daß es am Ende vom Bildschirm auf Papier landet und nicht direkt im Netz. Merken Sie sich das, bevor das Wissen darüber verloren geht! Auch lesen tue ich zurzeit viel, so scheint mir jedenfalls, denn nach einer Phase, in der ich glaubte, nie wieder mich für einen Roman begeistern zu können, liegen hier miteinemmale wieder etliche Romane zum Gelesenwerden herum, von Witold Gombrowicz und Stanislaw Ignacy Witkiewicz und Erich Kästner und Louis-Ferdinand Céline über Peter Handke und Alban Nikolai Herbst bis hin zu Aléa Torik. Dazu kommen die wiederzulesenden Romane und all die Erzählungen von Stifter und Robert Walser und Heinrich Schirmbeck, und sicher werde ich auch gelegentlich mal wieder die neusten Produkte des Literaturnachwuchses kosten, selbst wenn ich mir damit schon so oft den Magen verdorben habe.

Und dann ist da ja noch mein neues Romanprojekt, das sich da so vor mir auftürmt mit all seinen Ideen und zu verarbeitenden Fakten – ein Wächter steht davor, der mich nicht hineinlassen will in den Roman, doch ich werde ihn nicht zu überzeugen suchen, mich doch bittebitte durchzulassen, durchaus nicht, sondern ihn einfach ignorieren – denn dazu ist er da. Bin ich drin im Projekt, was mit diesem Augenblick geschehen ist, muß ich mir klarmachen, daß ich mich, anders als in meinem erst kürzlich abgeschlossenen Romanprojekt, sprachlich auf andere Art und Weise verhalten … darf, ja anders verhalten muß, denn ist der fertiggestellte Roman um 1700 verzeitigt, so ist in dem zu schreibenden das Jahr 1923 und die Jetztzeit plus X die Rahmenzeit. Erstmalig auch werde ich … ha!, das hätten Sie wohl gerne, daß ich hier so aus dem Nähkästchen plaudere, aber nix da, ich entscheide, was ich zum besten gebe und was nicht – schließlich muß ich ja auch die ganze Arbeit verrichten! Letztens hörte ich übrigens wieder den Satz, das nur am Rande, „wenn ich Zeit habe, schreibe ich auch mal einen Roman“, worauf ich ihn, es war ein männlicher Mensch, fragte, was denn besonders das Schreiben von Romanen mit Zeit zu tun hätte und ob denn nicht jede Art Arbeit Zeit bräuchte und dazu dann eben ganz wesentlich Können, Wissen, Ausdauer, Disziplin und so weiter vonnöten wäre. Antwort: keine. Wäre ja so, schob ich noch in das verendende Gespräch nach, als würde ich sagen, wenn ich nur Zeit hätte, dann würde ich endlich mal eine Brücke bauen von, sagen wir mal, Island nach Grönland – termingerecht natürlich. Yippie-yippie-yeah!

 

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„Das Schreiben ist nichts anderes als ein Kampf, den der Künstler mit den Menschen um seine hervorragende Bedeutung kämpft“ (Essay)

Ist Witold Gombrowicz’ Tagebuch so etwas wie die Urform des literarischen Weblogs? Diese Frage stelle ich mir, seitdem ich angefangen habe, die gesammelten Tagebucheinträge zu lesen. An einer Stelle schreibt er: „Ich schreibe dieses Tagebuch nicht gern. Seine unredliche Aufrichtigkeit quält mich. Für wen schreibe ich? Wenn für mich, weshalb wird das gedruckt? Und wenn für den Leser, weshalb tue ich so, als spräche ich mit mir selbst? Sprichst du so zu dir, daß es die anderen hören?“ (S.59. Alle Zitate aus: Witold Gombrowicz: Tagebuch 1953–1969. Fischer Taschenbuch 2004 bzw. Carl Hanser Verlag 1988) Wer ist dieser Herr Witold, dieser Gombrowicz? (Ich möchte, übrigens, um Nachsicht bitten dafür, daß ich mich mal wieder nicht mit der aktuellen Literaturproduktion beschäftige; ich weiß, da heißt es wieder, der Schlinkert mit seiner seltsamen Neigung zu Gutabgehangenem, zu all diesem alten Zeugs … doch wer mich kennt, der weiß, daß ich mich ausschließlich mit aktuellem Gedankengut beschäftige, ob es nun diese Sekunde veröffentlicht wird oder von Hesiod stammt.) Also: Gombrowicz, Witold, polnischer Schriftsteller, großer Erfolg in Polen 1938 mit seinem ersten Roman ‚Ferdydurke’, einem wunderbar absurd-komischen Roman mit hintergründigem Ernst, der imgrunde auch einen Diskussionsbeitrag zu der Frage darstellt, wie es um den Diskurs zwischen den altständigen und den modernen Polen bestellt ist. Im Jahr 1939 wird Gombrowicz in Buenos Aires vom Ausbruch des Weltkrieges überrascht und bleibt bis 1963 in Argentinien. Dort kleiner Bankangesteller zwecks Lebensunterhaltssicherung, ist er aber vor allem Schriftsteller und – quasi öffentlicher – Tagebuchschreiber, denn von 1953 bis 1969 werden seine jeweils nur mit dem Wochentag datierten Eintragungen in der in Paris erscheinenden polnischen Exil-Zeitschrift Kultura veröffentlicht. (Siehe dazu: Editorische Notiz. a.a.O. S.993.) Es ist also zunächst eine nur kleine Öffentlichkeit, bis dann 1957, 1962 und 1967 polnische Buchausgaben erscheinen.

Was nun macht Witold Gombrowicz so aktuell? Im Klappentext der Taschenbuchausgabe heißt es, Gombrowicz’ Überlegungen zu Themen wie Marxismus, Katholizismus oder Homosexualität seien unerwartet und wiesen auf verblüffende Zusammenhänge, sie seien aufschlußreiche Pamphlete gegen jedwede Lüge und Ideologie – so weit, so gut. Was mich nun unter anderem besonders interessiert sind aber die Fragen, die ich mir als „literarischer Blogger“ stelle (was für ein ekliger Begriff dieses „Blogger“ doch eigentlich ist, fast kommt es einem hoch!), denn wenn das literarische Weblog Literatur ist, die sich vermittels neuer technischer Möglichkeiten direkt und unvermittelt aktuell an Leser:innen wendet, dann scheinen mir diese Tagebuchbeiträge, zumindest in ihrer so schnell als möglich gedruckten Form, als eine Ur- oder Vorform des literarischen Weblogs. Der Vergleich mit Alban Nikolai Herbst’ Die Dschungel. Anderswelt drängt sich dabei geradezu auf, und das nicht nur, weil Die Dschungel ohne Zweifel einen bedeutenden Beitrag darstellt zur zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur (möge die Literaturgöttin dafür Sorge tragen, diese Beiträge der Nach-Welt zu erhalten!), sondern vor allem, weil beide Schriftsteller eine kompromißlose Haltung zu allem was Literatur ist und sein kann offen (aus)leben, weil beide sich mit einer hohen Risikobereitschaft an ein oder ihr Publikum wenden, ohne Liebedienerei und falsche Bescheidenheit. Deckungsgleich sind die Ansätze deswegen natürlich nicht, schon allein dadurch bedingt, daß ein Alban Nikolai Herbst dem tagebuchartigen Eintrag meist unmittelbar Weiteres folgen läßt, nämlich als direkte Reaktion auf Leser:innen-Kommentare. Diese Unmittelbarkeit ist sicher das eigentlich Neue und erweitert das Genre des Tagebuchartigen.

Vor- oder Urform also des literarischen Weblogs der Haltung zum Schreiben, zum Künstlersein wegen und vor allem auch aufgrund der so gelebten und gestalteten Beziehung zu den Leser:innen!? Doch birgt diese Art, sich an ein Publikum zu wenden, naturgemäß auch allerlei Gefahr in sich – die nämlich, sich trotz aller Offenheit selbst in die Tasche zu lügen. Gombrowicz schreibt: „Die Falschheit, die schon in der Anlage meines Tagebuchs steckt, macht mich befangen, und ich entschuldige mich, ach, Verzeihung … (aber vielleicht sind die letzten Worte überflüssig, sind sie schon affektiert?)“ (S.60.) Dies schrieb er 1953, und man sollte bedenken, daß er als Exilant in einer dauerhaft mißlichen Lage war, schon allein deshalb, weil er sich seine Leser unter seinen (fernen) Landsleuten zu suchen hatte und sein Heimatland zugleich noch unter der Knute des Stalinismus wußte  – wenngleich, auch das scheint mir bedenkenswert, er immerhin als Fremder in einem Land auch durchaus kleine Freiheiten hatte, die ein einheimischer Künstler, der sich als Künstler im eigenen Land fremd fühlt, was nicht selten der Fall ist, niemals haben kann. Was aber trieb nun unseren Autor zu dieser öffentlichen Form des Schreibens, zum reflektierend-nachdenklich-erzählenden Tagebuch? Das zuletzt Zitierte weiterführend schreibt Gombrowicz: „Dennoch ist mir klar, daß man auf allen Ebenen des Schreibens man selber sein muß, d.h. ich muß mich nicht nur in einem Gedicht oder Drama ausdrücken können, sondern auch in gewöhnlicher Prosa – in einem Artikel, oder im Tagebuch – und der Höhenflug der Kunst muß seine Entsprechung in der Sphäre des gewöhnlichen Lebens finden, so wie der Schatten des Kondors sich über die Erde breitet. Mehr noch, dieser Übergang aus einem in fernste, fast untergründige Tiefe entrückten Gebiet in die Alltagswelt ist für mich eine Angelegenheit von ungeheurer Bedeutung. Ich will ein Ballon sein, aber an der Leine, eine Antenne, aber geerdet, ich will fähig sein, mich in die gewöhnliche Sprache zu übersetzen.“ (S.60.)

Vereinfacht gesagt ringt Gombrowicz in seinem Schreiben insgesamt darum, als Künstler Mensch und als Mensch Künstler zu sein – daß dies nicht im Verborgenen und nicht in aller Bescheidenheit vor sich gehen kann, liegt in der Natur der Sache. Anmaßung ist hier das Stichwort, und wer Alban Nikolai Herbst’ Die Dschungel in den Jahren aufmerksam verfolgte, der weiß, wie oft Kommentatoren Herbst angriffen wegen seiner vermeintlichen Eitelkeit, seiner vermeintlichen Großtuerei. Auch Gombrowicz muß diesem kleingeistigen, imgrunde unterwürfigen Denken ausgesetzt gewesen sein, denn er bezieht klar Stellung zur Seinsweise des Künstlers (und weist zugleich seinem Tagebuchschreiben, indem er es nicht für sich behält, den Sinn und Platz innerhalb seines Gesamtwerkes zu). Er schreibt: „Ich weiß und habe es wiederholt gesagt, daß jeder Künstler anmaßend sein muß (weil er sich einen Denkmalssockel anmaßt), daß aber das Verhehlen dieser Anmaßung ein Stilfehler ist, Beweis für eine schlechte »innere Lösung«. Offenheit. Mit offenen Karten muß man spielen. Das Schreiben ist nichts anderes als ein Kampf, den der Künstler mit den Menschen um seine hervorragende Bedeutung kämpft.“ (S.61.) Dschungel-Leser wissen, daß Alban Nikolai Herbst dieselbe Überzeugung lebt, die er in seinem Weblog den Lesern folgerichtig nicht vorenthält. An einer Stelle schreibt Herbst: „Künstler jedenfalls, wenn sie das sind und also etwas zu sagen haben, kämpfen mit offenem Visier. Ausnahmslos. Schon, um ihre ästhetische Position zu bestärken, was wiederum ihr Werk stärkt und durchsetzt.“ (Interessant hier die doppelte Bedeutung von Durchsetzen: einmal im Sinne von Durchdringen, das andere Mal im Sinne von Erfolg auf dem Literaturmarkt.)

Das zugleich intime und zur Einsichtnahme gedachte Tagebuch ist ja bekanntermaßen keine Erfindung unserer Tage, das sei noch kurz angemerkt, sondern ist hierzulande seit gut dreihundert Jahren Bestandteil der literarischen Welt. Oft wurden Tagebücher zu Memoiren, eigenen Lebensbeschreibungen bzw. Autobiographien oder auch Romanen verarbeitet, man denke nur an die Memoiren der Glückel von Hameln (Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts, veröffentlicht 1910), Ulrich Bräker, Salomon Maimon, Adam Bernd, Heinrich Pestalozzi, Johann Heinrich Jung-Stilling, Karl Philipp Moritz und viele andere, wobei die gezeigte Offenheit oftmals einen stark aufklärerischen Impetus hat (Adam Bernd, Pestalozzi, Jung-Stilling), durchaus aber auch schon den Protagonisten zugleich als Künstler heraushebt (Bräker, Moritz), der als solcher das eigene Leben schreibend auf eine Art offenbart, die auf eben diese künstlerische Art hinaus in die Welt muß. Die Möglichkeit, als Schriftsteller Tagebucheinträge (so wie Gombrowicz) fast unmittelbar in einer Zeitschrift, beziehungsweise sie heutigentags tatsächlich unmittelbar auf einer eigenen Website unter Klarnamen zu veröffentlichen, ist somit nichts weiter als eine Erweiterung der Möglichkeit, in aller Offenheit und auf zugleich höchstem Niveau als Künstler zu sein und zu wirken und (s)ein Werk zu schaffen.

(Zu finden auch hier)

 

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Mehr Enthusiasmus!

„Enthusiasmus“ ist eines der seltsamsten Worte der Wortgeschichte – ich aber komme jetzt nur darauf, weil er mir momentan fehlt. Ich weiß natürlich, wie sich das anfühlt: ist man enthusiastisch (was ja weit über eine profane Begeisterung für etwas hinausgeht, denn Enthusiasmus ist inwendig und egozentrisch), glüht der ganze Mensch. Aber, wie gesagt, im Moment: nix. Der Grund liegt wie in jedem Jahr offen zu Tage, die Weihnachtszeit und der Jahreswechsel haben mich geradezu vergiftet mit all dem Einzelhandel-Gedöns allüberall, und zudem bin ich auch noch eine kleine Weile in Westdeutschland gewesen, in einer Gegend auch noch, in der der Zungenschlag der Einheimischen von Grund auf schwermütig ist, weil die Worte dort zu ihrem jeweiligen Ende hin so wenig aufstreben wie dann auch die aus ihnen gebildeten Sätze, sondern im Gegenteil resigniert in sich verenden, so als wäre das Wort weniger wert als die Sache, die es bezeichnet. Es gibt ja im Deutschen mehrere solcher Dialekte und Sprachfärbungen, die der Depression Tür und Tor öffnen, und aus eben diesen Gegenden stammen folgerichtig auch die meisten der zugewanderten Einwohner von Berlin, Hamburg, München und so weiter. Zurück im Ur-Heimatlichen bleiben, ebenso folgerichtig, die, die es nicht merken, beziehungsweise ganz paßgenau da sind, wo sie hingehören. Das Ganze ist allerdings noch fast gar nicht erforscht, obwohl die eigene Sprache den Menschen von Anfang an formt, weil sie ihn umgibt und er sie nachbildet und lernt, bis er dann ebenso spricht wie die anderen. Zur Ehrenrettung der regionalen Sprachfärbungen und Dialekte muß aber angemerkt werden, daß man ihnen durch das Erlernen eines lebendigen Hochdeutsches unter phantasievoller Einbeziehung einzelner Sprachmuster und Betonungsvarianten entfliehen kann, die zunächst gelernte Heimat-Sprache also absolut nur denen dauerhaft schadet, die sich der zersetzenden Anteile dieser ihrer Sprache nicht bewußt sind. Allerdings gibt es für eben diese Klientel seit Jahren nun schon ausreichend Comedy im jeweiligen Heimatdialekt, dargebracht in den dritten Fernsehprogrammen und auch erhältlich als CD, DVD, Blue-Ray und Buch. Die auf diese Weise zu erlebenden Medizinmänner und -frauen bringen die Menschen in ihrer Sprache nun nicht nur dazu, über sich selbst und ihre Beschränktheit zu lachen, durchaus nicht, nein, sie geben ihnen auch Sprachstoff an die Hand, um sich zu verständigen und gleich wieder zu lachen, weil sich alle ja an diese lustigen Bühnenauftritte erinnern. So hält man, ein Fortschritt, ganz  ohne Frage, den sozialen Frieden aufrecht, und da nun in dieser ihrer eigenen Sprache auch noch ordentlich über die Politiker und die Manager und die Banker und überhaupt über all diese Betrüger gelästert wird, fühlen sich alle gleich besser – – – alle außer mir, denn ich brauch meinen Enthusiasmus, den will ich haben, und wenn ich ihn mir selber schnitzen muß, indem ich in meiner Sprache Wort für Wort und Satz für Satz einen Text in die Welt stanze! (Ich glaube, es geht schon aufwärts!)

 

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