„Labial-Angle-Jack“! Immer schön optimistisch bleiben!

Billig sind die Dinger ja nicht! Und daran gewöhnen muß man sich auch erst, doch nach ein paar Nächten geht’s dann wohl, nach allem, was man hört und liest. Von was ich rede? Von den Mundwinkelhebern aus natürlichen Materialien, die verhindern sollen, daß die Lebenswirklichkeit zum Herabsinken der Mundwinkel führt, nächtens zu tragen. Es ist ein amerikanisches Produkt und wird in den Staaten als Labial-Angle-Jack vermarktet, unter anderem mit dem Hinweis, als optimistisch aussehender Mensch habe man einfach mehr Erfolg im Leben. Hört sich plausibel an. Natürlich sind die Dingerchen bei Amazon versandkostenfrei zu kriegen, auch ohne Buch, allerdings werde ich selbst keinen Mundwinkelheber erstehen, denn schließlich geht bei mir ja nicht alles schief, sondern nur so etwa 98%. Also keine Panik, keine überstürzten Aktionen – ich bleibe bei meinem altbewährten und ganz kostenfrei zu bekommenen optimistischen Fatalismus (nicht zu verwechseln mit dem fatalistischen Optimismus!). Heute lese ich übrigens in der Zeitung, daß Klaus Wowereit plant, den neuen Berliner Flughafen nun doch als einen unterirdischen zu bauen, was noch einige wenige zusätzliche Milliarden kosten wird. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

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Tot für immer

Hermann Hesse, so liest man seit Tagen, starb vor fünfzig Jahren. Er ist also nicht etwa seit fünf Jahrzehnten tot, sondern tot für immer, während wir Lebenden uns von diesem Datum immer mehr entfernen durch unser gegenwärtiges Sein. Hesse! Wem fiel dazu nichts ein! Hätte ich nicht in der, was „höhere“ Literatur betrifft, eher kärglichen elterlichen Bibliothek sein Narziß und Goldmund entdeckt, so hätte ich mich vielleicht nie ans Schreiben gemacht. Diese Erzählung war der Anfang – ein langweiliger Nachmittag, nichts zu tun, man stöbert so rum, zieht ein Buch aus dem Regal und – liest sich fest. Das war eine Art Erweckungserlebnis. Im selben Regal, denn so kärglich war’s dann auch wieder nicht, entdeckte ich dann auch noch Dostojewski, Schiller, Goethe, Thomas Mann und weitere „Klassiker“, die ich alle verschlang – richtig verstanden habe ich damals, so erscheint es mir heute, nur Hesse. Während ich aber die meisten der damals in noch jugendlichen Jahren gelesenen Romane und Erzählungen im Laufe der Jahre noch einmal las, den Steppenwolf, das Glasperlenspiel, Dostojewskis Schuld und Sühne und so weiter, habe ich Narziß und Goldmund nie wieder angerührt. Soll ich’s nun wagen? Ich leg’s erst einmal auf mein Lesepult, so!, und dann sehen wir weiter. Wie heißt es doch so schön: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – wir werden sehen.

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Allgemeine Spezialisierung

Der Schritt zur Spezialisierung wurde mir schon mehrfach angeraten, doch ich zögere noch. Muß man denn nicht, denke ich, besonders im geisteswissenschaftlichen und künstlerischen Bereich in vielen Disziplinen einigermaßen firm sein, um in unserer eiseskalten Moderne überhaupt noch eine Chance zu haben? Oder kann man von Chancen vielleicht gar nicht mehr sprechen? Kürzlich hörte ich von einer befristeten, mäßig bezahlten Stelle für Geisteswissenschaftler in Berlin, auf die sich über 1200 Menschen beworben haben. Keine Quote wie beim Lotto, doch von einer aussichtsreichen Situation würde ich auch nicht sprechen. Allerdings hat Deutschland den Ruf als Land der Dichter und Denker auch nur deswegen erlangt, weil es Künstlern hierzulande meist schlecht geht, so daß es wahrscheinlich Methode hat, Kunst und Kultur nur so grade eben am Kacken zu halten. Ist ja auch nicht übel, vom guten Ruf zu profitieren, wenn man fast nix dafür tun muß. Zyniker, wie unser hiesiger Provinzfürst Klaus Wowereit, finden dafür natürlich immer einen Spruch, eben jenen etwa, Berlin sei arm, aber sexy, was natürlich eine Dreistigkeit sondergleichen ist, vor allem wenn man bedenkt, daß die Stadt Berlin mit dem reichhaltigen Kulturleben wirbt, das sie selber mehr schädigt als befördert. Aber was rege ich mich auf, schließlich könnte ich mich ja ohne weiteres spezialisieren, dann wäre ich aller Sorgen ledig – nur auf was? Die meisten Menschen spezialisieren sich auf das Aushalten langweiliger Jobs oder auf das Vorwärtskommen mittels Schleimspurensurfing, doch dafür bin ich wahrscheinlich nicht geeignet. Was also tun? Nun, wenn ich es mir recht überlege, kann ich nix außer Schreiben wirklich gut, also sollte ich das tun, denke ich, denn Schreiben ist ja so sexy!

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Matschepatsche

Heute morgen klingelte der Wecker, nahm aber dabei keine Rücksicht auf meine gegenwärtige Schlafphase. Es gibt Wecker, die das können, doch sich im Schlaf überwachen zu lassen, finde ich auch nicht gut. Jedenfalls bin ich am Morgen und dann meist auch den ganzen Tag immer ziemlich matsche, wenn ich mir den Wecker stelle, was ich dummerweise tue, obwohl ich ganz sicher auch ohne Wecker zeitig wach würde. Ich war dann heute morgen knapp drei Stunden unterwegs, habe ein einstündiges gutes Gespräch gehabt und durfte fast zwei Stunden S-Bahn-Fahren. Dann habe ich mir vier T-Shirts gekauft, zum ersten Mal im Leben welche mit V-Ausschnitt. (Soll mal keiner sagen, ich sei festgefahren!) Den ersten Kaffee des Tages trank ich erst spät, während ich Ein Porträt des Künstlers als junger Mann von James Joyce in dieser schönen neuen Übersetzung las – leider habe ich das Buch bald durch. Was dann lesen? Einiges will durchaus noch mal, anderes aber zum ersten Mal gelesen werden; da stehen Italo Svevo und Franz Werfel und Alban Nikolai Herbst und Phyllis Kiehl und schreien mich an: Lies mich, Du Pfeife Du! Außerdem will ich Heinrich Heine unbedingt bald lesen, weil ich ihn mit 17 oder 18 Jahren wohl nicht recht verstanden habe, was mir seit langem schon klar ist. Natürlich muß auch mein erst kürzlich fertiggestellter Roman überarbeitet werden, und außerdem warte ich noch auf die Zusage eines Verlages, der einen älteren Text von mir veröffentlichen will oder wenigstens zu wollen vorgibt. Aber gleichviel, heute werde ich allenfalls noch das Porträt zuende lesen können und nichts sonst schaffen, und das alles nur wegen des Weckers, diesem tumben Befehlsempfänger. Alles Matsche & Patsche, was ja allein schon dieser Text beweist, der aber auch jeden ethisch-moralischen oder auch sonstwie gearteten Sinn vermissen läßt. Jeden!  

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Marslandung und Pfefferminze

Ist das nun eine gute Nachricht, wenn irgend so ein Dings auf dem Mars landet? Ist der Mensch nur da Mensch, wo er spielt, wie Schiller das mal ausdrückte? Andere Milliardenspiele für Spielkinder haben ja letztens erst unglaubliche Erkenntnisse gebracht, irgendetwas mit einem Gottesteilchen – Nietzsche jedenfalls hätte sich ob solch einer Nachricht sicher totgelacht. Wir Erdenkinder setzen indes andere Prioritäten, vorausgesetzt natürlich, daß wir weder hungern und dürsten müssen oder in Bürgerkriegsgebieten um unser Leben bangen. Ich habe heute morgen zum Beispiel meinen kleinen Balkon besucht, auf dem neben den seit zig Jahren wachsenden Pflanzen, Kastanie, Heidekraut, Bohnenkraut und allerlei Wiesenblumen, nun auch wieder die Pfefferminze wächst, einfach so, als wäre sie nie weggewesen. Wahrscheinlich hatte sie letztes Jahr einfach nicht rauswollen aus der gemütlichen Erde, wer weiß. Jedenfalls kann ich jetzt morgens immer ein Pfefferminzblättchen rubbeln und mich am frischen Geruch erfreuen. Wenn das keine Nachricht ist!

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Winterreise

Noch immer beschäftige ich mich mit der Winterreise von Franz Schubert und Wilhelm Müller. Ich habe den Text gelesen, die Lesung von Gert Westphal von CD gehört sowie die Einspielung von Florian Prey (Bariton) und Wolfgang Leibnitz (Klavier). Was soll ich sagen, die Sache nimmt mich mit, in jeder Hinsicht, denn daß hier mit Schubert und Müller zwei Seelenverwandte, ohne sich persönlich gekannt zu haben, zusammenwirken, ist ebenso klar wie die naheliegende Erkenntnis, daß es sich bei dem Thema um etwas Zeitloses handelt, was wohl fast jeder Mensch nachvollziehen kann, nämlich Liebesschmerz, Einsamkeit und Perspektivlosigkeit. Immerhin bewegt sich der von seiner Liebsten Verlassene wandernd fort, seine Gedanken schweifen hin und her, er schwankt zwischen Hoffnungslosigkeit und gelegentlicher leiser Hoffnung auf einen Neuanfang, auf das lebendige Rauschen des Lebens unter der Rinde des zugefrorenen Stromes. Natürlich ist vieles in den Gedichten Müllers auf die politische Situation der metternichschen Restaurationszeit gemünzt, auf das weithin zensierte oder sogar abgetötete Kulturleben, aus dem aber vielleicht doch noch frische Triebe keimen werden, gibt man die Sache nur nicht zu früh verloren – dann rauschen die Linden auch im Winter, so jedenfalls steht es geschrieben.

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Pferdewechsel

Ich habe in meinem Leben oft mal die Pferde gewechselt, der Wagen aber ist noch der selbe. Ehrlich gesagt grauste es mir immer davor, auf ein Spezialgebiet festgelegt zu werden, der Fachmann für etwas zu sein. Mir scheint es ertragreicher, sich immer wieder neu in Gebiete einzuarbeiten, auch mithilfe der Spezialisten natürlich, um dann damit weiterzukommen, im Denken, im Leben, im Sein, jenseits aller Karriereplanung. Trial and error. Vielleicht rührt dieser Drang von der kindlichen Erfahrung her, daß meine Umwelt immer meinte, mich schützen zu müssen, was bei mir aber so ankam, als traute mir niemand etwas zu – und so war es wohl auch. Ich werde heute noch wütend, und das ist überhaupt kein Ausdruck, wenn ich an den Spruch „Die 4 ist die 1 des kleinen Mannes“ auch nur denke!!! Oder das plurale „Das können wir nicht“, meist bezogen auf künstlerische Disziplinen. Aber versuchen, dachte ich irgendwann als Jugendlicher, wird man es ja wohl noch dürfen? Nein? Auch gut, ich mach’s trotzdem, bis heute, Pferdewechsel inklusive.

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Einfache Gedanken & Aphorismen II

Langweilige Menschen bekommen immer, was sie verdienen. Das macht sie so einzigartig.

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Siebenkäs

Ich muß oft an Jean Pauls Siebenkäs denken, der ja so schrecklich hin- und hergerissen war zwischen seiner Aufgabe als Armenadvokat im Reichsmarktflecken Kuhschnappel und seinem Freiheitsdrang. Auch bittere Ironie war ihm eigen, etwa wenn er sich die Umweltzerstörung seiner Zeit ansah und den folgenden Ratschlag tat: „Jetzo, da mehr Wälder verkohlen als nachwachsen, ist das einzige Mittel dagegen, daß man das Klima selber einheize und in einen großen Brut-, Darr- und Feldofen umsetze, um die Stubenöfen zu ersparen.“ (Viertes Bändchen, Zwanzigstes Kapitel) Jean Paul war eben durchaus kein Romantiker, von denen es Anfang des 19. Jahrhunderts ohnehin nicht mehr gar so viele gab, inmitten der Restauration nach dem Wiener Kongreß 1814/15 (1818 erschien der ursprünglich 1796 veröffentlichte Roman Blumen-, Frucht- und Dornenstücke oder Ehestand, Tod und Hochzeit des Armenadvokaten F. St. Siebenkäs im Reichsmarktflecken Kuhschnappel verändert und erweitert, sozusagen also neu und zeitgemäß). Was also tun in üblen Zeiten, dachte sich Jean Paul, und seine Antwort war, man müsse schreiben, auch über sich selbst, in welcher Form auch immer, denn nur so wird man sich klar über das, was unklar scheint. So heißt es im achtzehnten Kapitel des vierten Bändchens: „So fürchterlich verfälschet die Selbsucht das feinste moralische Gefühl und besticht es zu doppelten Richtersprüchen über einerlei Rechtssache. Ich helfe mir, wenn ich über den Wert eines Charakters oder eines Entschlusses schwankte, sogleich dadurch, daß ich mir ihn naß aus der Presse kommend und in einem Roman oder einer Lebensbeschreibung vorgemalet denke – heiß‘ ich ihn dann noch gut, so ist er sicher gut.“ Das ist wohl eine gute Methode, denke ich mir, sich die Menschen naß vorzustellen – muß ich mir merken.

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Einfache Gedanken & Aphorismen I

Ich glaube nicht an den Teufel, aber wenn ich es täte, würde ich ihn mir als den Trainer vorstellen, der den Himmel zu Rekordleistungen hetzt.

(Ulrich in Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften)

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