Gequirlter Scharfsinn

Stellen Sie sich den menschlichen Verstand als ein Werkzeug vor. Würden Sie sagen, er sei eher ein scharfes Messer oder ein Quirl? Oder eine Kombination aus beidem? Ein Messerquirl, ein Quirlmesser. Ja, warum eigentlich nicht, denn wird nicht heutzutage kaum noch etwas hergestellt, das nicht wenigstens eine Zusatzfunktion hat, so daß sich der menschliche Verstand auf eben dies einstellen muß. Und nicht nur das. Der heutige Mensch sollte natürlich auch, um nur ein Beispiel zu nennen, noch dutzende von PINs im Kopf haben, also seine persönlichen Identifikationsnummern, er sollte komplexe Bewegungsabläufe wie im Schlaf beherrschen, sogenannte soziale Kompetenz haben und klare ethisch-moralische Vorstellungen, wie die Welt am besten funktionieren würde, ohne natürlich selbst Nachteile zu erleiden. Zudem muß er über Ernährung ebenso bescheid wissen wie über Kindererziehung, Burnout und Mobbing, angesagte Urlaubsorte und die eigenen sexuellen Vorlieben, von denen des Partners oder der Partnerin mal ganz zu schweigen. Doch das ist natürlich noch nicht einmal alles, denn allein der alltägliche Konsum verlangt zudem noch Geschmack und Markenbewußtsein, auf Grundlage der eigenen ethisch-moralischen Überzeugung und selbstredend der Ästhetik, ohne die nichts geht. Und für all dies ist dann auch noch Geld vonnöten, denn man kann sicher sein, daß ein in diesen Gefilden lebender Mensch, der nicht eine einzige PIN hat, arm ist wie eine Kirchenmaus. Sagte man nicht schon zu Urzeiten, jemand sei eine große Nummer? Je mehr Zahlen man im Kopf haben muß, desto wichtiger scheint man also zu sein, doch wahrscheinlich gilt das nur bis ins gehobene Mittelmaß, denn ab einem gewissen Vermögen kann man so einiges delegieren, nach allem, was man hört, und sich wieder auf das Eigentliche im Leben konzentrieren, nämlich das messerscharfe Sezieren der Wirklichkeit. Man kann es natürlich auch selbst und ganz allein probieren, doch das geht eigentlich immer schief – man bringt einfach alles durcheinander.

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | Hinterlasse einen Kommentar

Anonym eingereicht, wahrscheinlich sicherheitshalber

Die Verwirrung um das Griechenlandgedicht des Günter Grass hat ihren Höhepunkt erreicht, denn nun scheint die Aufnahme der Lesung durch Grass selbst verschwunden zu sein. Der Link zum NDR ist etwa auf Wikipedia noch zu finden, Stand heute [„Europas Schande, gelesen von Günter Grass (2:22). NDR online am 26. Mai 2012, 13:40 Uhr“], bringt aber nur ein herzliches „Seite nicht gefunden“ zutage. Zeugen, die bei der Aufnahme zugegen waren, sind bisher nicht aufzutreiben gewesen, wenngleich manche Hörer des NDR Stein und Bein schwören, die Lesung wirklich gehört zu haben. Mysteriös. Sollte man sich nun also doch darauf einigen, es habe das Gedicht nie gegeben und zudem dem Satire-Magazin Titanic raten, von rechtlichen Schritten abzusehen? Wie auch immer, gestern erreichte mich die Bitte, ein Gegengedicht zu Grass zu veröffentlichen, allerdings ohne Nennung des Verfassernamens. Wie Sie sehen, habe ich einmal darüber schlafen müssen, komme aber nun der Bitte nach. Schließlich geht es, so oder so und wie auch immer, um Literatur!

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | Hinterlasse einen Kommentar

Auf den Hühnerflügeln der Notwendigkeit

 

 

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | Hinterlasse einen Kommentar

Die Praxis des abwegigen Denkens

Zuletzt war es mal wieder Thema, wie sehr der gleichsam offizielle Literaturbetrieb die im Internet ausgestellte Literatur mißachtet, übersieht und totschweigt. Doch was soll er machen, der Betrieb, denn er hat etwas zu tun mit einer verkäuflichen Ware, mit Geldverdienen und mit allerlei Ehrgeiz und Eitelkeiten. Da gibt es eben Dinge, die gehen gar nicht! Nun zu etwas ganz anderem: die technische Entwicklung der letzten 150 Jahre hat den meisten Tieren bzw. Tierarten sicherlich geschadet, man denke da nur an die Millionen von Tieren, die Jahr für Jahr in riesigen Schlachthöfen gequält und hingerichtet werden, ohne daß das die meisten Menschen auch nur juckt. Das einzige Tier, dem diese ganze Entwicklung nicht geschadet hat, ist das Pferd. Vielleicht wird es der Literatur im Netz irgendwann ganz ähnlich ergehen. Wir werden sehen.

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | 9 Kommentare

Günter Grass und die Schundlyrik

Am 25. Mai schrieb ich: „(…) doch halt, ich muß da noch einmal genau draufsehen, und ja, tatsächlich, das muß etwas Satyrisches sein, es muß einfach. Oder?“ Es ging um das Griechenland-Gedicht des Günter Grass, sprachlich auf dem gleichen Niveau wie sein antisemitisches GedichtWas gesagt werden muss„. Nun schreibt die FAZ, das Satire-Magazin „Titanic“ habe das Griechenlandgedicht hergestellt und der Süddeutschen Zeitung als neues Gedicht des Grass angeboten, die es dann an hervorgehobener Stelle druckte. Wenn das denn so ist, daß es sich um eine Grass- und SZ-Verarschung ersten Ranges handelt, dann ist das Traurigste an dieser Sache wohl die Tatsache, daß die meisten Menschen dem Grass so ein Schundgedicht ohne weiteres zutrauen, beziehungsweise nichts Besseres von ihm erwarten. Andererseits: so wichtig, wie er gerne wäre, ist Grass nie gewesen, und heute taugt er allenfalls noch als Ärgernis oder Peinlichkeit, ganz gleich, was er schreibt oder eben nicht schreibt. Allerdings ist der Artikel in der FAZ auch eine Satire, oder überhaupt die einzige Satire, man weiß nur nicht auf was genau, was aber so oder so bedeutet, daß es das Griechenlandgedicht nie gegeben hat. Alles klar?

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | 1 Kommentar

Traumarbeit

Nachdem sich Mißverständnisse haben auflösen lassen und ein Streit zum Glück ein Ende fand, ist wieder Zeit für andere Dinge. Zum Träumen zum Beispiel, oder zum Kaffeetrinken – nur daß darüber nicht die Arbeit vergessen wird, das ist schon wichtig. Die aufgenommene Überarbeitung des Romans ist gestern noch nicht recht vorangekommen, außerdem habe ich auf den ersten fünf Seiten nur ein Wort gestrichen und sonst nichts geändert – mysteriös kommt mir das vor. Sicher, es wird dann noch einmal ausgedruckt werden für eine wirklich abschließende Bearbeitung, aber nur ein Wort? Auch ein anderes Projekt steht noch an, parallel zu schaffen, mit dem aber nicht zuletzt auch Geld verdient werden muß, Sie wissen, dieses universell einsetzbare Zahlungsmittel, mit dem nicht zuletzt auch Träume gekauft werden können, was ich aber für falsch halte, selbst wenn sie nötig sind.

Zu bezahlen sind Träume aber dennoch, zwar nicht derjenige, der mich letzte Nacht mitnahm und noch immer ganz erfüllt, den Teufel werde ich tun und ihn erzählen, sondern eher die, die auch mit Arbeit zu tun haben, denn was hätte man nicht verdienen können, wäre man vernünftig gewesenen und hätte einen krisensicheren Beruf gewählt. Doch, doch, so ist es, denn für einen gelebten Traum zahlt man ex negativo eine Menge, wenn man das so sagen kann, während ein ungelebter Traum nichts kostet, außer Sehnsucht. Naja, Vernunft wird ohnehin überbewertet, denke ich, mir jedenfalls hat sie oft geschadet, gesundheitlich ebenso wie finanziell, weil ich nicht mit ihr ging, sondern ihr widerwillig hinterherschlich. Als vernünftig durchgehen lasse ich jetzt aber, wenigstens mitzuteilen, daß es mir zur Zeit an Lohnarbeit gebricht, als Lektor zum Beispiel, damit ich gewissermaßen im Hinterkopf aufpoppe, wenn der Eine oder die Andere etwas hört. Hindert mich keineswegs am Träumen. Also an die Arbeit.

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | 2 Kommentare

Darf ich um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten!

Ich habe zwar noch nichts mitzuteilen, bin aber dabei, Mitteilenswertes zu erarbeiten. Sie ahnen es, es geht um Literatur. Warum, so möchte man fragen, schreibt einer heutzutage noch Romane, wo doch eindeutig Meisterwerke vorliegen, deren Qualität jeden einschüchtern müßte, der solch ein Unternehmen zu beginnen wagt? Die Antwort ist: ich schreibe trotzdem, weil ich lese, denn Lesen ist mir Nahrungsaufnahme, so daß auch das eigene Schreiben mir Nahrung ist. Schreiben ist zugleich immer auch Lesen. So einfach ist das!

Mit dem Schreiben dieser kleinen Glosse drücke ich mich noch einen Moment vor der Arbeitsaufnahme. Der Roman, an dem ich seit Ende 2008 arbeite, ist in seiner ersten Textfassung fertig, ca. 450 Normseiten lang. Ich habe mich entschieden, nun eine eindeutige Fassung herzustellen, die allein einem Genre zuzuordnen ist, und weitere Pläne anderweitig zu Papier zu bringen, welche dann die Form einer humoristischen Nachschrift annehmen werden. So, nun aber an die Arbeit! Der Leser, auf der Zeichnung rechts, wartet schon.

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | Hinterlasse einen Kommentar

Nie ohne Zwickel!

Der Mensch geht nie ohne! Nicht ohne Accessoire, meine ich. Seit Urzeiten ist das so, ein Federchen am Wurfspieß, eine Muschelkette, eine Brosche, ein Orden, ein Kreuz, ein Stock oder Regenschirm, was auch immer, bis hin zum Smartphone, das viele Zeitgenossen nicht nur ständig zur, sondern tatsächlich in der Hand haben. Selbst am FKK-Strand sollen sie nicht selten der Nacktheit den gleichmachenden Effekt nehmen, so hört man. Der nächste Schritt wird der Einbau dieses Gerätes in die menschliche Handfläche sein, dann verliert es natürlich das Schmückende und macht den Platz frei für anderes Beiwerk, den Zwickel zum Beispiel, denn durch ihn läßt sich dann auch dieses Gerät in der Handfläche, weil schärfer gesehen, viel besser bedienen. Ist das nicht eine super Idee? Ich finde schon!

 

 

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | Hinterlasse einen Kommentar

Angstblüte der Blütenträume

Die Rückentwicklung des Menschen zu einer gewöhnlichen Tierart beginnt mit der Angstblüte der menschlichen Kultur. Das ist natürlich Unsinn, läßt sich aber trotzdem sauber belegen mittels der Deutung aller vorhandenen Spuren. Jetzt, am Ende des sehr kurzen 21. Jahrhunderts, wäre der richtige Zeitpunkt, sich dieser Aufgabe zu widmen. Doch so wenig wie eine Behörde sich selbst abschafft, so wenig werden die für diese Aufgabe Befähigten ihr eigenes Ende auch noch beglaubigen wollen, vor allem natürlich deshalb, weil ihnen niemand glauben wird. Außerdem geht es selbstverständlich trotzdem weiter mit dem Planeten Erde und allem, was sich über, auf und in ihm befindet, selbst die Menschheit als solche wird weiterhin anzutreffen sein, auch wenn alle denkbaren Katastrophen sich ereignen, oder sagen wir: fast alle. Eine dieser Katastrophen ist das Chaos als eines bestehenden und sich aus sich selbst heraus fortsetzenden Zustandes, wobei Chaos ja eigentlich eine klaffende Leere ist, annäherungsweise also so etwas wie eine absolute Leere, die so grade eben keine absolute ist, eben weil sie sich zwischen Etwas befindet. Sie wissen, was ich meine, das ist alles nachzulesen in den menschheitsgeschichtlich gesehen verhältnismäßig neuen Büchern der frühen griechischen Antike oder auch in der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Spannend, wenn auch ebensolcher Unsinn, ist der Gedanke, daß wir Heutigen in der Zeit leben, in der die Anzahl der jetzt lebenden Menschen die Zahl der bereits toten Menschen übersteigt. An die Seelenwanderung glaubende Mathematiker machen sich bereits schlimme Sorgen deswegen, aus welchen tiefwissenschaftlichen Gründen auch immer, während sich ungläubige Komiker eben darüber lustig machen oder wenigstens lustig machen könnten. Positive Fatalisten, die immer auch Voluntaristen sind, entspinnen hingegen weiterhin die schönsten Blütenträume, wunderbare Geschichten zum Hineintauchen und Darübernachdenken, und dies in jeder nur erdenklichen und damit durchführbaren Form. Für jeden ist etwas dabei, an jede Art Phantasie ist etwas Phantastisches andockbar. Die Produktion von Blüten dieser Art, selbst wenn dies der Angstblüte sterbender Bäume noch so nahekommt, ist nicht mehr zu stoppen, und das schon seit dem Augenblick, als die erste Seele in den ersten Menschen gefahren ist. Der Mensch, mit Möglichkeitssinn ausgestattet, ruft seither seine Fragen in das Chaos hinein, so wie diese:

A Dream Within A Dream (Edgar Allan Poe)

Take this kiss upon the brow!
And, in parting from you now,
Thus much let me avow:
You are not wrong, who deem
That my days have been a dream;
Yet if Hope has flown away
In a night, or in a day,
In a vision, or in none,
Is it therefore the less gone?
All that we see or seem
Is but a dream within a dream.

I stand amid the roar
Of a surf-tormented shore,
And I hold within my hand
Grains of the golden sand –
How few! yet how they creep
Through my fingers to the deep,
While I weep – while I weep!
O God! can I not grasp
Them with a tighter clasp?
O God! can I not save
One from the pitiless wave?
Is all that we see or seem
But a dream within a dream?

Irgendwann aber, in ein paar Milliarden Jahren, frißt uns das All, weil es unsere einzige Sonne auslöscht. Das ist dann das Ende aller Blütenträume, nach allem, was sich denken läßt. Wetten würde ich darauf aber nicht – mit wem auch?

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | 2 Kommentare

Die Kernprobleme der Kulturgeschichte

 

Das Schaf und der Wiesenfloh

Das Schaf das stand so rum
war vollgefressen und ganz stumm
die Welt war schon in Ordnung so
und folgerichtig es ganz froh

Da kam der Wiesenfloh vorbei
und fragte frech und frei nach Brei.
Er hatte riesengroßen Hunger,
war ganz blaß vor Gier und Kummer,
ausgemergelt bis zu’n Knochen,
nix zu kochen schon seit Wochen.

Doch das Schaf oh graus,
hatte garnichts mehr im Haus,
hatte aufgefressen all die Speisen,
so als wollte es beweisen,
daß es fressen kann wie’n Schwein,
und das am besten ganz allein.
Ans Teilen hat es nie gedacht,
obwohl man das an sich so macht.

So stand es da mit vollem Bauche,
mit seiner Pfeife und dem Rauche,
den Pfeifen halt so machen,
wenn sie qualmen,
vollgestopft mit Blättern und mit Halmen.

Der Wiesenfloh der sah nun ein,
da wird wohl nichts zu holen sein.
Die Kammer leer, kein Brei, kein Hummer,
die Pfeife qualmt, das Schaf im Schlummer.

Veröffentlicht unter NACHRICHTEN aus den PRENZLAUER BERGEN! | Hinterlasse einen Kommentar